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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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vieler Künste. Wenn jemand den Flügel heilen kann, dann Ficino. Er wohnt auf dem Hügel von Montevecchio, nicht weit von unserem Haus entfernt.«
    Lucrezia betrachtete ihn nachdenklich. Schließlich sagte sie: »Dann komme ich mit. Ich habe die Taube gerettet und bin dabei vom Baum gefallen. Deshalb darf ich dabei sein, wenn sie verarztet wird. Außerdem ist heute mein Geburtstag; da darf ich mir sowieso etwas wünschen.«
    Wieder musste Lorenzo über dieses temperamentvolle Mädchen lachen. »Ich bezweifle, dass ich jemals die Stärke besäße, dir etwas zu verwehren. Du hast dir doch nichts getan, als du vom Baum gefallen bist?«
    »Nein. Aber meine Mutter wird mir etwas antun, wenn sie sieht, was ich mit meinem neuen Kleid angestellt habe.« Lucrezia richtete sich auf und versuchte, Schmutz und Blätter von dem Gewand abzuwischen. Lorenzo nahm dies als Vorwand, das Mädchen von allen Seiten zu betrachten.
    »Ich glaube, du hast Glück gehabt«, bemerkte er mit gespieltem Ernst. »Alles lässt sich abbürsten, und zerrissen ist nichts. Wenn deine Mutter dich fragt, sag ihr, euer tollpatschiger Nachbar Lorenzo de’ Medici sei vom Pferd gefallen, und du hättest ihm helfen müssen. Ich erzähle meinem Vater dasselbe. Warte nur, du wirst zu deinem Geburtstag mit Geschenken überschüttet werden!«
    Lucrezia lächelte, wobei sie zauberhafte Grübchen zeigte. »Ein guter Plan. Du hast nur vergessen, dass alle deine Reitkunst kennen. Niemand wird dir glauben, dass du vom Pferd gefallen bist – schon gar nicht von diesem Pferd. Nein, ich muss die Strafe ertragen. Außerdem bin ich eine schlechte Lügnerin. Ehrlichkeit steht mir viel besser.«
    »Dann bist du eine Edeldame, wie sie im Buche steht. Kannst du reiten?«
    Lucrezia warf ihr kastanienbraunes Haar zurück und hob das Kinn. »Natürlich! Oder meinst du, deine Familie ist die einzigein Florenz, die ihren Töchtern etwas beibringt?« In diesem Augenblick flatterte die Taube in ihren Händen, und sie sagte besorgt: »Es dürfte allerdings schwierig sein, auf dem Pferd unsere kleine Freundin festzuhalten.«
    Lorenzo fiel eine Lösung ein: Er half Lucrezia auf den Rücken des Hengstes, der brav stillhielt. Dann setzte er sich hinter das Mädchen und hielt es an den Schultern fest, während es die Taube an ihre Brust drückte. Dann ritten die beiden gemächlich unter der Frühlingssonne dahin – zwei junge Menschen, umfangen vom Zauber der ersten Liebe.

    Marsilio Ficino betrachtete Lorenzo forschend, wenn auch verstohlen, während er den verletzten Vogel untersuchte. Seit vielen Jahren war er mit Lorenzos Erziehung und Bildung beauftragt und liebte den Jungen wie ein eigenes Kind. Doch nie zuvor hatte er ihn so aufgeregt und zugleich gehemmt erlebt wie im Beisein der Donati-Erbin. Immerhin war sie seiner würdig und nicht irgendein Bauernmädchen aus Pistoia. Andererseits warf die Bekanntschaft Probleme auf: Was würde der Patriarch der Donati davon halten, wenn seine kostbare Tochter mit dem Medici-Erben im Wald herumtollte? Lorenzos Familie war zwar die reichste und einflussreichste in Florenz, aber sie gehörte nicht zur Aristokratie. Für den Adel Italiens waren die Medici Kaufleute, reich gewordene Emporkömmlinge, wohingegen die Donati einen alten, mit der Geschichte verwobenen Stammbaum vorweisen konnten. Kaufmannszunft gegen Aristokratie: Es war unwahrscheinlich, dass die Donati jemals mehr als Freundschaft zwischen ihren Sprösslingen dulden würden. Vielleicht nicht einmal das.
    »Ihr Flügel ist gebrochen, aber ich habe schon Schlimmeres gesehen«, sagte Ficino mit seiner sanften Stimme. Er sah, dass Lucrezias Miene sich sogleich aufhellte.
    »Wird sie durchkommen? Könnt Ihr sie heilen?«
    Die Hoffnung des Mädchens war ansteckend. Gegen seinen Willen wurde Ficino milde gestimmt. Er lächelte es an.
    »Ob das Tierchen wieder gesund wird, liegt in Gottes Hand, aber wir werden tun, was in unserer Macht steht, und das Beste hoffen. Lorenzo, halte den Vogel einen Moment, während ich etwas hole, um ihn zu verbinden.«
    Ficino reichte die Taube Lorenzo, der sie vorsichtig nahm und ihr beruhigende Worte zuflüsterte. Als er den Blick hob, sah er Tränen in Lucrezias Augen. Rasch sprach er ihr Trost zu.
    »Sie wird wieder gesund, das weiß ich genau! Der Maestro verbindet sie, und du und ich werden gemeinsam für ihre Heilung beten.«
    Ficino kam mit zwei Stöckchen und ein paar Leinenbinden wieder und band den Flügel des Vogels fest an dessen Körper.

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