Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
Vom Netzwerk:
offiziell Modell saß. Sie saß in ihrer typischen Haltung da, die das Beste in meiner Kunst hervorbringt: den Kopf leicht geneigt auf dem langen Hals, das liebliche Gesicht, das so viel Klugheit ausdrückt, versunken in die Erwartung der großen Aufgaben, die ihrer harrten.
    Ich hatte vor allem den Wunsch, Colombinas herrliche Augenfarbe wiederzugeben. An jenem Tag schimmerte das Licht auf ihrem goldenen Samtkleid, und ihre Augen leuchteten bernsteinfarben in der Sonne. Aber wie immer bei unseren Sitzungen lachten wir so viel und herzlich, dass ich oft den Pinsel nicht ruhig halten konnte.
    Zu Ehren unseres Ordens und in Anspielung auf den großen Piero della Francesca malte ich den Faltenfall ihres roten Umhangs in ähnlicher Manier, wie er es bei seiner Magdalena in Arezzo getan hatte. Es war subtil genug, dass nur wir, die wir Augen haben zu sehen, die Anspielung verstehen konnten, doch muss ich zugeben, dass ich großes Vergnügen an solchen Dingen finde, genau wie Lorenzo.
    Lorenzo war von dem Bild Colombinas so sehr angetan, dass er erklärte, er wolle fortan ständig gegen die Kaufmannsgesetze verstoßen, um möglichst oft vor Gericht gestellt zu werden, wo er sich Colombina anschauen könne. Ich sagte ihm, es sei doch viel einfacher, wenn er mir den Auftrag erteilen würde, ein noch schöneres Kunstwerk zu schaffen, auf dem er Colombina dann ganz für sich allein haben würde.
    Was als Scherz zwischen mir und meinem Bruder begann, entwickelte sich zu einer ernsthaften Diskussion darüber, was eigentlich das vollendete Kunstwerk sei, das perfekte Zusammenspiel zwischen Kunst und Wissen, Schönheit und Kraft. Damals bedachten wir nur die Möglichkeiten und die aufregenden Ideen, die wuchsen undGestalt annahmen. Es war eine Diskussion, die zu dem bedeutendsten Gemälde führte, an das ich je Pinsel und Herz gelegt habe, die vollendete Darstellung der wiederkehrenden Zeit.
    Aber das ist eine andere Geschichte, die es verdient, ganz für sich erzählt zu werden.
     
    Euer ergebener
    Alessandro di Filipepi, genannt »Botticelli«
     
    Aus den geheimen Memoiren des Sandro Botticelli

Kapitel zwölf
    Florenz, Uffizien
    Gegenwart
     
    G e meinsam spazierten sie durch die Säle der Uffizien. Destino, der sich mit den schlurfenden Schritten eines alten Mannes bewegte, hatte Maureens Arm genommen. Sie lauschte seinen Worten genauso aufmerksam wie Peter, Tammy und Roland, die nie weit zurückblieben. Die Uffizien waren überwältigend, weil hier so unglaublich viele Meisterwerke an einem Ort versammelt waren. Man konnte das Museum anhand von Epochen durchwandern, beginnend mit der Mittelalter-Galerie, wo die Besucher bereits im ersten Saal von einer großen Madonnenfigur, geschaffen von Cimabue, begrüßt wurden. Von dort führte ein Labyrinth aus Sälen und Gängen zu immer neuen Kunsterfahrungen.
    »Es tut mir leid, dass ich Sie so scheuchen muss, denn jedes Stück in diesen Sälen hätte sorgfältige Betrachtung verdient«, sagte Destino. »Aber wir müssen aus einem bestimmten Grund in einen bestimmten Saal, wo uns ganz besondere Gemälde erwarten.«
    Er führte seine Begleiter durch den letzten Mittelalter-Saal, bis sie einen Raum mit sieben ähnlichen Gemälden betraten. Auf jedem war überlebensgroß eine thronende, majestätische Frau dargestellt.
    »Die Tugenden«. Maureen erkannte sie augenblicklich anhand ihrer Ikonografien. Die »Gerechtigkeit« hielt ein Schwert in der Hand, der »Glaube« einen Kelch. Es war deutlich zu sehen, dass sechs Gemälde in Stil und Ausführung einander ähnelten undoffenbar von einem einzigen Künstler stammten. Das siebente Gemälde jedoch, die »Tugend«, unterschied sich in seinem ganzen Wesen von den sechs anderen Meisterwerken und stellte sie weit in den Schatten: Die »Tapferkeit« leuchtete wie der Hope-Diamant zwischen Achaten. Ihr Künstler hatte mehr dynamische Farben und sorgfältig herausgearbeitete Details eingebracht, und die Ausführung war so anmutig, dass es dem Betrachter den Atem verschlug. Doch was die Darstellung wirklich erhebend machte, war das Modell. Die junge Frau war eine ätherische Schönheit, die zugleich den Eindruck gewaltiger Kraft vermittelte.
    »Botticellis erster Auftrag«, erklärte Destino und zeigte auf die »Allegorie der Tapferkeit«, so der Titel des Gemäldes. »Er wollte beweisen, dass er besser malen konnte als die Künstler, die immer wieder die Aufträge in Florenz absahnten. Also stürzte er sich in die Arbeit. Armer Pollaiuolo. Als

Weitere Kostenlose Bücher