Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
ein wenig bestürzt. »Du hast also schon davon gehört. Niemand von uns versteht wilde Magie. Aber eines wissen wir genau, ohne Ordnung und Kontrolle ist die Magie lebensgefährlich. All unser Streben ist darauf ausgerichtet, uns davor zu schützen.«
Gereint nickte. Sie befanden sich an einem ziemlich unangemessenen Ort: in einem der Stallgebäude, noch dazu in einem besonders schmutzigen Stall. Riquiers Worte wurden vom Kratzen seiner Schaufel untermalt. Irgendwie schien das passend. Wo Riquier den größten Dreck entfernt hatte, streute Gereint Kalk.
Riquier hielt inne und stützte sich auf seine Schaufel. »Hier in unserem Orden kontrollieren wir die Magie von zwei Seiten aus: durch das überlieferte Wissen des Buches und die Künste des Erschaffens. Wir alle müssen Gelehrte sein, um Magier zu sein, aber wir müssen auch das Handwerk beherrschen. Wir stellen das Glas selbst her, mit dem wir unsere Magie ausüben.« »Und die Kriegskunst? Welche Rolle spielt sie?«
»Das ist unser Ritual und unser Opfer. Wir verteidigen den Orden und das Reich. Wir bewachen die Mysterien, für die wir gegründet wurden.« »Mysterien?«
Riquiers Geduld war so unerschöpflich, wie der Meister es gesagt hatte, aber Gereint ahnte, dass er an die Grenze dessen gestoßen war, was der Knappe ihm verraten konnte oder wollte. Riquier wandte sich wieder seiner Grabarbeit zu, wobei er die Schaufel ein wenig tiefer als notwendig in die Erde zu stoßen schien.
Gerade als Gereint sich damit abgefunden hatte, dass dies eine der Fragen war, auf die er keine Antwort erhalten würde, sagte Riquier: »Ich werde dir dies nur ein Mal erzählen und kein zweites Mal, bevor du die Prüfungen bestanden und dich als würdig erwiesen hast. Ich erzähle es dir, denn wenn ich es nicht tue, wirst du selbst nach den Antworten suchen. Und das ist viel gefährlicher, als du es dir vorstellen kannst. Du bist alt und stark und, ich glaube, auch klug genug, dieses Geheimnis für dich zu behalten.« »Wenn Ihr nicht glaubt, dass ich es kann, erzählt es mir nicht«, sagte Gereint. »Ich verspreche, nicht nach den Antworten zu suchen.«
»Du würdest nicht anders können«, erwiderte Riquier. »Also hör zu. Jedes Kind kennt das Mysterium des Glaubens: Der Junge Gott schlug die Schlange nieder und brachte Ordnung in die Welt. Davor gab es keine Ordnung, keinen gesunden Menschenverstand und sehr wenig Vernunft. Die Magie hatte freien Lauf und die Sterblichen waren ihr ausgeliefert. Dann kam der Junge Gott, geboren als Sterblicher, aber erschaffen aus dem lebendigen Licht. Er führte die Schar seiner Nachfolger gegen die Schlange und zerstörte sie, dabei wurde er jedoch selbst zerstört. Seine Priesterinnen und Paladine trugen seinen Leichnam vom Schlachtfeld fort und beerdigten ihn an einem geheimen Ort. Dann geschah das große Wunder: Am dritten Tag, als die Priesterinnen kamen, um das Grab durch einen Ritus und ihre Macht zu versiegeln, fanden sie es leer vor, mit Spuren von überirdischem Feuer.«
Riquier hielt kurz inne, dann fuhr er fort. »Dies ist das, was jeder Priester und wahre Gläubige weiß. Es ist die Grundlage unseres Glaubens, der wahrhaftigste Beweis dafür, dass der Junge Gott tatsächlich ein Gott war. Was die Priester nie erzählen und was auch nur die wenigsten von ihnen wissen, ist, dass etwas von dem Jungen Gott zurückblieb, nachdem er in den Himmel gehoben worden war. Sein Leichentuch lag auf dem Stein. In den Stoff war das Abbild seines Körpers, wie er im Tode dagelegen hatte, eingebrannt. Das ist das erste Mysterium«, sagte Riquier, »und der erste heilige Schatz, den wir aufbewahren: das Leichentuch mit seinem Abbild, das an die göttliche Allmacht erinnert. Das zweite Mysterium ist der Speer, mit dem der Junge Gott die Schlange durchbohrte und der dann gegen ihn gewendet wurde. Mehrere heilige Häuser verehren einen Speer, von dem sie behaupten, dass es der wahre sei. In Wahrheit ist er bei uns. Sein Blut ist noch vermischt mit dem der Schlange und klebt noch am kalten Stahl.«
Riquier hielt erneut inne. Sein Kopf war nach unten geneigt. Gereint dachte, er sei fertig, aber dann sprach er weiter, ohne den Kopf anzuheben. »Dann gibt es noch das dritte Mysterium. Dies sollte ich dir eigentlich auf keinen Fall erzählen, noch irgendjemand anderem, der noch nicht in den Orden aufgenommen wurde. Aber meine Anweisung lautet, dir alle Fragen zu beantworten, die du mir stellst. Es gibt noch eine dritte Aufgabe, die wir erfüllen
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