Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
müssen.« Er holte tief Luft. »Die Kirche lehrt, dass die Schlange niedergeschlagen und zerstört wurde. Das wurde sie auch, in gewisser Hinsicht. Die Schlange ist das lebendig gewordene Chaos und die Verkörperung der ewigen Nacht. Sie existierte lange vor der Schöpfung und wird weiter existieren, wenn die Schöpfung zerstört ist. Obwohl ihre Macht gebrochen und aus der Welt vertrieben wurde, wurde sie nicht getötet. Der Speer des Jungen Gottes schwächte sie, aber es war der Tod des Jungen Gottes, der sie bezwang. Dann schlugen die Paladine sie mit der Macht, die sie von dem Jungen Gott erhalten hatten, in Bande, und die Priesterinnen schufen ein Gefängnis, wo sie auf ewig festgehalten werden sollte.
Dieses Gefängnis steht unter unserer Bewachung. Was es ist, wo es ist, woraus es besteht, darf niemand unter dem Rang eines Großritters je erfahren. Wir wissen nur, dass es existiert und dass es der wichtigste Grund dafür ist, dass unser Orden ins Leben gerufen wurde. Jede Kunst, die wir ausüben, jedes bisschen Wissen, das wir besitzen, läuft auf eines hinaus: es so zu sichern, dass die Schlange niemals aus ihrem Gefängnis entkommt. Denn wenn es ihr gelingt, wird jegliche Ordnung aus dieser Welt getilgt werden, und alle Königreiche werden fallen. Die Sterblichen werden einmal mehr versklavt und gezwungen, der Schlange und ihren Nachfolgern zu dienen. Wir werden niemals wieder frei sein.«
Wieder stockte Riquier, aber diesmal nicht, um nach einer Pause weiterzureden. Gereint hätte auch nicht gewollt, dass er fortfuhr. Es gab so vieles, was er verstehen musste — zu viel.
Die Welt, die er als Kind gekannt hatte, war unwiederbringlich verändert worden durch das Vorhandensein und das Wissen um die Magie. Jetzt hatte er eine Ahnung davon erhalten, wozu die Magie diente.
Es war mehr, als er mit einem Mal begreifen konnte. Ein ganzes Leben mochte nicht dazu ausreichen. Und dann musste er auch noch verstehen lernen, dass man ihn zu dieser Pflicht aufgerufen hatte — in diese große Schutzgemeinschaft, von der kaum jemand in der weiten Welt etwas ahnte. Er merkte, dass er ein knöcheltiefes Loch gegraben hatte und dass Riquier ihn gewähren ließ, ohne etwas zu sagen. Zähneknirschend machte er sich daran, es wieder zu füllen.
Blindlings ging er weiter zum nächsten Stall und achtete nicht darauf, ob Riquier ihm folgte oder nicht. Er konnte nicht denken, nicht jetzt. Er musste einfach nur da sein. Wenn er das konnte, würde alles andere sich schon finden, redete er sich ein.
Kapitel 13
Zwei Tage nach Ankunft der Thronfolgerin in Fontevrai begannen die Freier, sich zu sammeln. Es war, als hätten sie wie Aasgeier an den Grenzen gelauert und auf ein neues heiratsfähiges Opfer gewartet.
Averil musste sich ermahnen, dass das Ganze nur recht und billig war. Sie war geboren, um zu heiraten; es war ihr Schicksal und ihre Pflicht. Einer dieser Männer oder einer, der so ähnlich war wie diese, musste an ihrer Seite stehen, wenn sie das Herzogtum regierte.
Dennoch fand sie es in ihrer Rolle als Außenstehende, die von niemandem erkannt wurde, ein wenig lächerlich, wie sie sich tratschend und tuschelnd zusammenscharten. Es wirkte sogar ein bisschen abstoßend.
Emma spielte ihre Rolle bewundernswert. Sie tanzte, plauderte, lachte. Sie ließ sich bei Hof sehen, in den Gärten, auf dem Balkon des Frauensalons. Sie war eine Vision aus rotgoldener Schönheit, geschaffen, um einen Mann in den Wahnsinn zu treiben.
Averil hatte die Pflichten einer Dienerin: holen und bringen, wonach die angebliche Thronfolgerin gelüstete, Gewänder und Schmuck in Ordnung halten und ihr stets zu Diensten sein. Für Averil war dies eine leichte Bürde. Sie hatte zahlreiche freie Stunden, in denen sie den Palast und die Stadt erkunden oder sich in der Bibliothek ihres Vaters vergraben konnte.
Sie sah den Herzog häufig aus der Ferne, aber er würdigte sie keines Blickes, und sie war sorgfältig darauf bedacht, weder ihm noch sonst irgendjemandem aufzufallen. Mit ihrem gesenkten Kopf und dem Tuch über den Haaren war sie nichts weiter als eine beliebige Dienstmagd, die ihren Aufgaben nachging. Am sechsten Tage erhielt sie, wie alle anderen Diener auch, die Weisung, ein großes Bankett vorzubereiten: als offizielles Willkommensfest für die Tochter des Herzogs. Sie holte Tischtücher aus den Schränken und breitete sie über die langen Tische im Saal. Dann legte sie nach Anweisung des Haushofmeisters Tranchiermesser und Löffel sowie
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