Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
Aufmüpfigkeit durch irgendetwas geschürt, durch etwas Dunkles in ihrem Inneren.
Sie mussten es mit sich gebracht haben. Es kam nicht aus dieser Erde, obwohl es hier genug Gefahren gab. Es mochte das Gift der Schlange in ihnen sein, oder die Bürde der Niederlage war zu erdrückend für sie.
Was auch immer es war, es war gefährlich. Gereint konnte nur hoffen, dass dieser Weg eher zu Ende war als ihre Geduld.
Kaum eine Stunde nach Abbruch des Lagers hatten sie Odilon gefunden. Zuerst dachten sie, es sei ein zerklüfteter Stein am Wegrand; als sie näher kamen, sah es aus wie ein Kleiderhaufen. Erst als sie direkt davor standen, erkannten sie, dass es ein auf dem Bauch liegender menschlicher Körper war. Die silberne Rüstung und der tiefblaue Umhang verrieten ihnen, dass es ein Knappe der Rose sein musste.
Der Körper befand sich gerade noch in Reichweite des Weges. Der einzige überlebende Ritter von Arlais drehte ihn auf den Rücken.
Die Männer schnappten nach Luft. Gereint schluckte Galle. Das Gesicht war eingeschrumpft, Farbe und Leben waren daraus verschwunden. Die Haut spannte sich straff über den Knochen. Die Lippen waren zurückgezogen und gaben den Blick frei auf lange gelbe Zähne und bleiches Zahnfleisch. »Er hat kein Blut mehr in sich«, sagte der Ritter. »Sein Körper wurde ausgesaugt.«
Hinter sich hörte Gereint, wie jemand sich übergab. Mitleidslos hoffte er, dass es einer von denen war, die sich gegen Averil aufgelehnt hatten. Averil sagte nichts, noch brüstete sie sich mit ihrem Sieg. Sie sah so unwohl aus, wie Gereint sich fühlte, aber sie behielt ihr karges Frühstück bei sich. Mauritius ergriff schließlich das Wort und sagte: »Keiner verlässt das Lager oder den Weg, aus welchen Gründen auch immer. Habt ihr das verstanden?«
Von Auflehnung war nichts mehr zu spüren. Die Männer von Arlais schickten sich an, die Leiche zu bergen, aber sie war plötzlich außer Reichweite geraten. Fassungslos schauten sie zu, wie sie binnen weniger Augenblicke in die Erde gezogen und von Gras überwuchert wurde.
Kapitel 28
»Keinen Schritt weiter«, sagte ein Ritter aus dem Süden Quitaines mit dem melodischen Akzent von Proensa. »Wir kehren um. Nicht einmal Gott weiß, wo dieser Weg hinführt außer in den Tod oder in schlimmeres Verderben.« »Wir können nicht umkehren«, sagte Averil. »Wir können nur weiter vorwärtsgehen.«
»Wohin?«, schrie der Ritter. »Was wird aus uns werden?« »Es wird erzählt«, meldete sich Mauritius zu Wort, als Averil nicht sofort antwortete, »dass tief in den Wildländern Mächte wohnen, die einst Götter waren. Ob sie gut oder schlecht gesinnt sind, weiß niemand, aber sie mögen gewillt sein, unsere Bitte anzuhören.«
»Wenn es alte Mächte sind«, sagte der ältere Ritter, »dann haben sie keinen Grund, uns zu lieben.«
»Sie haben auch die Schlange nie geliebt«, sagte Mauritius. »Sie wurden unterdrückt und versklavt, als sie über die Welt herrschte. Wir haben sie niemals belästigt.«
»Nur insofern, als wir unsere Welt zu eng und begrenzt für sie gestaltet haben«, sagte der ältere Ritter. »Mein Urgroßvater hat mir öfter von Wesen erzählt, die im Wald und im Wasser lebten und in Sommernächten durch die Luft schwirrten.
Wie viele von uns haben jemals eines davon gesehen? Sie sind verschwunden, geflohen aus der Welt, die wir geschaffen haben.«
»Unsere Welt mag vielleicht der kleinste Teil der Welten sein, die sie kennen«, sagte Averil. »Erinnert Euch an das, was sie uns erzählt haben, als wir Kinder waren, Messires. Ein großer Teil der Magie beruht auf Glauben. Wenn wir an ihre Böswilligkeit glauben, werden sie uns böswillig behandeln. Je mehr wir ihnen vertrauen, desto vertrauenswürdiger werden sie sein.«
»Der wilden Magie kann man niemals vertrauen«, sagte der Ritter. »Wir haben nichts anderes, auf das wir vertrauen können«, sagte Mauritius. Als hätte das Land ihnen zugehört, begann der Pfad gegen Mittag dieses wolkenlosen Tages, noch steiler anzusteigen. Direkt unterhalb des höchsten Grats lag ein breites grünes Tal. In seinem Herzen befand sich ein Teich, in dem sich der Himmel widerspiegelte. An den Ufern des Teichs wuchsen Bäume, die reichlich Früchte trugen: Apfel und Birnen, Pflaumen und Pfirsiche und Kirschen so rot, dass sie im sanften Sonnenlicht leuchteten. Die Ritter schreckten vor dem zurück, was sie für eine Falle hielten. Aber Gereint pflückte einen Apfel von einem über dem Weg hängenden Ast.
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