Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
haben die Götter Angst?«
»Vor Klarheit«, sagte Esteban. »Wenn Sterbliche verstehen würden, was Götter in Wahrheit sind, könnten sie aufhören, sie anzubeten, dann würden sie aufhören zu glauben.«
»Und Götter nähren sich durch den Glauben der Sterblichen.« Averils Rücken und Schultern waren so angespannt, dass sie schmerzten. »Ich weiß, was die Götter sind, ja, sogar der Gute Gott und sein Sohn. Ich habe gesehen, was vor ihnen kam und vor diesem Ding, das Ihr … bewundert. Oder wie soll man es ausdrücken, da Ihr es ja nicht anbetet?«
Zum ersten Mal sah sie ihn fassungslos. Hatte er nichts von der Mutter gewusst?
Als gewandter Höfling fing er sich schnell wieder. »Dann wisst Ihr also, was sie uns anbietet, Comtesse? Sie befreit uns von den Göttern. Sie lehrt uns, in die höchsten Sphären des Himmels aufzusteigen, wo Magie nicht länger eingeschränkt ist und Liebe keinem Zwang unterliegt. Wir können alle heil werden, statt in zahllose Fragmente zu zerfallen.«
Seine Worte gingen Averil zu Herzen. Mit ihrer facettenreichen Magie, die von den Orden größtenteils abgelehnt wurde, wusste Averil besser als die meisten, wie eingeschränkt ihre Welt sein konnte. Wenn sie wirklich frei sein könnte, wenn sie frei entscheiden könnte, wen sie lieben und wie sie ihre Magie ausüben würde, wäre dieses ganze Theater überflüssig. Sie wäre wie im Flug in Prydain und in Gereints Armen und brauchte keinen Gedanken an diesen hübschen, verführerischen Prinzen zu verschwenden.
Sie erwiderte seinen Blick. Er zuckte zusammen. Ja, sie hatte ihn aus der Fassung gebracht. Er hatte nicht erwartet, dass sie so stark sein würde. »Was wollt Ihr von mir«, fragte sie.
»Eure Macht«, sagte er, »und wenn Ihr wollt Eure Hand. Clodovec ist eine Gefahr für uns alle. Ich werde Euch helfen, ihn zu zerstören und Euch zur Königin von Lys zu machen.«
»Königin unter der da?« Sie nickte in Richtung des Teichs. »Werdet Ihr sie auch aufwecken?«
»Wenn sie die Orden zu Fall bringt, ja«, erwiderte er.
»Zuerst müsst Ihr sie finden.«
»Das wird der König für uns erledigen.«
»Anschlag und Gegenanschlag«, sagte sie. »Falsch wie eine Schlange.« Er lächelte. »Und angemessen, nicht wahr?«
»Ihr habt Verbündete?« »Ein paar«, sagte er, »hier und da.«
»Der König hat mehr als ein paar.« Averil hatte selbst einige Verbündete, aber das wollte sie diesem Mann nicht auf die Nase binden.
»Das mag sein«, sagte Esteban, »doch die meisten Verbündeten des Königs sind Sklaven oder Fanatiker. Meine oder unsere, wenn Ihr wollt, sind Männer mit Fähigkeiten und Verstand. Ihr Geist gehört ihnen, und ihre Seelen sind fest in ihren Körpern verankert.«
»Ich müsste zuerst mit ihnen zusammenkommen und mit ihnen reden«, sagte Averil, »und mich vergewissern, dass alles der Wahrheit entspricht.« Er verneigte sich. »Selbstverständlich, Comtesse.«
»Dort oben warten sie auf uns, nicht wahr?«
Sein Lächeln schwand wieder. »In der Tat.«
»Dann wollen wir sie nicht länger warten lassen«, sagte sie.
Kapitel 12
An dieser Verschwörung waren nicht so viele Personen beteiligt wie bei der Damenversammlung in Lutece: nur neun saßen im Salon hinter der Halle, und es waren alles Männer, keine Frau war darunter. Sie waren für die Jagd gekleidet, und Averil erkannte nur zwei von ihnen. Die Übrigen sahen aus, als hätten sie einen weiten, schnellen Patt hinter sich: Ihre Stiefel waren schlammig und ihre Umhänge staubig von der Reise.
Sie bemerkte, dass sie alle Magier waren, aber keiner trug das Abzeichen eines Ordens. Sie stammten nicht alle aus Moresca oder dem Königreich Lys; zwei große, breitschultrige Männer sprachen mit dem Akzent von Gotha, und einer stammte anscheinend aus Romagna.
Keiner von ihnen kam aus Prydain. Averil fragte sich, ob sie dieser Tatsache Bedeutsamkeit zusprechen sollte. Es kam auch keiner aus den Gewürzländern oder von der anderen Seite des Meeres oder aus den weit entfernten Ländern des Südens.
Sie verbeugten sich vor ihr, als wäre sie bereits eine gekrönte Königin. Im Gegenzug nickte sie ihnen zu. Protest wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Sie hütete sich davor, irgendetwas zu fühlen. Ihr Geist konzentrierte sich auf den Augenblick, auf die Gesichter im Kreise und auf die Augen, die sie beobachteten: einige neugierig, andere spekulativ und wieder andere mit unverhohlener Gier. Sie vermutete, dass keiner der Männer eine Ehefrau besaß.
Selbst
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