Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
die sie ritt, waren breit und sauber. Die Menschen, denen sie begegneten, sahen gut genährt aus; Bettler gab es kaum. Auf den Märkten wurden außer lebensnotwendigen Dingen auch Kleinode feilgeboten. Die Stadt strahlte eine gewisse Zufriedenheit aus.
Es warf ein gutes Licht auf die Königin, dass sie über eine solche Stadt regierte. Ihr Palast war nichts im Vergleich zum Palast von Lutece; sein Prunk bestand in poliertem Holz und schimmerndem Glas, und seinen Höflingen und Hofdamen fehlte jene Extravaganz, die Averil in Lutece gesehen hatte. Sie wirkten auch nicht allesamt wie nutzlose Faulenzer; jene, die sich in der Halle aufhielten, schienen eher Bittsteller als Müßiggänger zu sein.
Averil wusste, dass Prydains Königin jung war, dennoch war sie überrascht. Und sie hatte auch gehört, dass sie eine Priesterin der Insel war. Sie hatte die Prüfungen bestanden und war als Priesterin geweiht worden, bevor der Tod ihres Vaters und ihrer Brüder sie unerwartet zur einzigen Thronerbin des Königreichs Prydain machten. Es musste eine Ausnahmeregelung gegeben haben; sie war mit ungebrochenem Gelübde fortgeschickt worden, sodass sie weiterhin Priesterin und gleichzeitig Königin sein konnte.
Es war nicht bekannt, ob sie sich gesträubt hatte, die Insel zu verlassen. Als sie nach Prydain gerufen wurde, war Averil noch ein Kind und zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um auf eine der Älteren zu achten.
Was auch immer Eiluned gefühlt hatte, als die Umstände sie zwangen, ihren Orden und ihr Zuhause zu verlassen, so hatte sie offensichtlich ihren Frieden damit geschlossen. Sie war in ihr Amt hineingewachsen, ohne sich von ihm zermürben zu lassen.
Sie war vom alten Geblüt, älter als die Paladine. Viele aus ihrer Sippe bevölkerten die Straßen der Stadt: kleine, dunkle Menschen, die vor Magie knisterten. Einige trugen noch die alten Klanzeichen auf Wangen und Stirn. Eiluned pflegte diesen Brauch nicht. Ihre breite Stirn war frei von Zeichen, die hohen Wangen nur von ihrem eigenen rosa Schimmer geziert. Sie trug eine Krone aus Blumen, die letzten des Herbstes, violett, goldfarben und weiß; ihr Gewand war schlicht, und sie trug keinen Schmuck, bis auf einen goldenen Gürtel, von dem drei goldene Apfel herabhingen.
Als Averil sich ihr näherte, erhob sie sich von ihrem vergoldeten Sessel. Die Apfel klingelten leise, als sie sich bewegte: Es waren kleine Glöckchen. Sie rauschte an Schreibern und Hofstaat vorbei, um Averil zu begrüßen und sie auf beide Wangen zu küssen. »Kusine! Willkommen. Ich bin hoch erfreut, Euch lebendig und bei guter Gesundheit zu sehen.«
»Kusine«, sagte Averil. »Habt Dank für Eure Güte.«
Eiluned lächelte. »Wir schenken sie Euch mit Freuden. Die Welt ist in großer Gefahr. Wir brauchen jeden, der kämpfen kann.«
Averil verbeugte sich bei diesen Worten. »Dann wisst Ihr es, Majestät, die Insel wird bedroht.«
»Morgen werden wir Rat halten«, sagte Eiluned. »Heute lasst Euch von meinen Bediensteten mit Essen versorgen und mit einem Bad verwöhnen. Ruht Euch aus. Ihr werdet natürlich mein Gast sein.«
»Natürlich«, sagte Averil. Es war angemessen; es wurde erwartet. Sie hätte kaum damit rechnen können, im Gästehaus der Ritter zu wohnen, wenn es eine Unterkunft gab, die ihrem Rang und ihrem Geschlecht besser entsprach. Es war dumm von ihr, enttäuscht zu sein, und wenn sie des höfischen Lebens noch so überdrüssig war. Sie nahm die Schultern zurück, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen und Heß sich von der Dienerschaft der Königin in ihre Gemächer fuhren.
Da Averil nun unter dem Schutz der Königin stand, durften die Batter sich zurückziehen. Mit schleppenden Schritten zog Gereint von dannen. Sein Platz war nicht an der Seite Averils, mit jedem Tag wurde er sich dessen gewisser. Dennoch brach es ihm das Herz.
Er hatte nur daran gedacht, sie aus dem Meer zu retten und sie dann nach Caermor zu bringen. Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass das Leben, das sie in Fontevrai geführt hatten, als er Postulant in den Diensten des Landvogtes und sie als Dienerin verkleidet war, hier nicht möglich war. Sie war eine Herzogin im Exil. Er war ein Knappe des Rosenordens. Sie hatten ihre verschiedenen Lebensbereiche, und diese waren streng voneinander getrennt.
Sie ging, wohin ihre Pflicht sie rief. Genau wie er. Sie schaute sich nicht um und zeigte auch keinerlei Anzeichen, dass sein Fortgehen sie kümmerte. Was hatten sie schließlich auch schon
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