Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
versucht.
Der Ritter war ein so treuer Verbündeter, wie ihn Gereint sich auf dieser Welt nur wünschen konnte.
Wenn er weise wäre, würde er nehmen, was er kriegen konnte. Der einzige andere Weg war der Weg der Schlange, den der Prinz von Moresca Averil angeboten hatte - und dieser Gedanke war für Gereint nicht zu ertragen. Weder jetzt noch in irgendeiner Welt, die er sich vorstellen konnte.
Kapitel 18
Averil übte sich nicht länger in ehrerbietiger Zurückhaltung. Wenn sie sprach, erwartete sie, dass man ihr zuhörte; wenn sie eine bestimmte Handlungsweise vorschlug, war es für sie selbstverständlich, dass ihre Anordnungen ausgeführt wurden.
In Prydain war sie ein geehrter Gast, aber sie regierte nicht. Ihre Stimme wurde zwar durchaus gehört, sie war jedoch nur eine unter vielen. Sie war nicht die Lauteste, noch sah es so aus, als könnte sie ihren Willen durchsetzen. »Wir verstehen, was Ihr sagen wollt, Comtesse«, sagte der Kanzler der Königin mit Engelsgeduld, »und wir haben erwogen, eine Flotte zusammenzustellen und der Insel zu Hilfe zu kommen, aber wir glauben, es ist dienlicher für die Insel, wenn wir hier die Stellung halten.«
Averil knirschte mit den Zähnen. Seit drei Tagen führte sie diesen Krieg mit Worten — drei nebelige, regnerische, feuchte Tage lang diskutierte sie mit dem geheimen Rat der Königin. Ihre Geduld war am Ende und ihre Stimmung auf dem Tiefpunkt. »Nein, Messire«, sagte sie, »bei allem Respekt, aber Ihr versteht eben nicht, was ich sagen will. Ich bitte um ein Schiff und eine Besatzung für meine Reise zur Insel. Sobald ich dort bin, kann das Schiff nach Prydain zurückkehren. Wenn wir uns beeilen, sind wir dort, bevor der König einfällt.«
»Comtesse«, sagte der Kanzler, »die Schutzzauber der Insel sind errichtet. Die Mauern aus Luft sind drei- oder viermal so stark wie Ihr es in Erinnerung haben mögt. Euer erstes Schiff ging verloren, beim Versuch diese Barrieren zu durchdringen. Wir können kein weiteres Schiff entbehren — und Euch schon gar nicht, Comtesse.«
»Diesmal werde ich durchkommen«, sagte sie. »Beim letzten Mal war ich unvorbereitet. Jetzt weiß ich, was mich erwartet. Sie werden sich meiner erinnern; sie werden mich durchlassen.«
»Werden sie das?«, Dylan Fawr war die ganze Zeit ruhig geblieben, aber auch er hatte seine Grenzen. Seine Stimme war ungewohnt scharf. »Comtesse, nach allem, was sie gehört haben, werden sie denken, dass Ihr die Waffe des Königs gegen sie seid, und dass Eure Ankunft die Luftmauern zerstören und die Eindringlinge hereinlassen würde. Könnt Ihr es ihnen verdenken, wenn sie nichts und niemanden passieren lassen? Nicht einmal Euch?«
»Ich kann ihnen helfen«, sagte sie. »Ich weiß, was auf sie zukommt, und ich kann helfen, es aufzuhalten. Hier bin ich nicht von Nutzen, während ich dort …«
»Wenn es Euch bestimmt gewesen wäre, die Insel zu erreichen«, sagte Dylan Fawr, »würdet Ihr jetzt dort sein. Die Mächte brachten Euch hierher. Hier werdet Ihr gebraucht.«
Trotzig schüttelte sie den Kopf. Sie war halb wahnsinnig vor Sehnsucht, bei den Priesterinnen zu sein und ihnen bei der Vertreibung des Königs zu helfen, statt tatenlos an einem anderen königlichen Hof herumzusitzen. Sie blickte in die Runde der höflichen, gleichmütigen Gesichter. Nicht einmal die Ritter gaben ihr Unterstützung. Weder ihr Wille noch ihr Drängen kümmerte sie im Geringsten.
Sie verließ die Runde so abrupt, dass es fast an eine Beleidigung grenzte, aber sie scherte sich nicht darum. Als die Leute vor der Tür des Ratszimmers ihr Gesicht erblickten, gingen sie ihr aus dem Weg.
Sie war in einer außergewöhnlichen Stimmung; noch nie war sie so kurz davor gewesen, den Verstand zu verlieren. Sie musste nach draußen, musste rennen, etwas tun, irgendetwas anderes, als herumzusitzen und sich höfischen Unsinn anzuhören. Aber der Regen war stärker geworden, die Tropfen prasselten noch lauter als zuvor aufs Dach.
Ihre einzige Zufluchtsstätte waren die Bibliothek, die größer war als die in Quitaine, oder die Kapelle, deren Stille sie lehren mochte, ihr normales, vernunftbegabtes Wesen wiederzuerlangen.
Vielleicht hatte Dylan Fawr Recht. Möglicherweise lag wirklich ein Zauber über ihr.
Es gab nur einen Menschen, der dies herausfinden konnte. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er sie der Obhut der Königin überlassen hatte. Seither hatte er ihr keine Botschaft mehr gesandt, weder auf die Weise der Sterblichen
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