Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
Regelung anging, so äußerte keiner der Alteren Bedenken, obwohl sie angebracht gewesen wären. Gereint mochte vielleicht ein Heiliger sein, aber Averil war es nicht. Je kühler sie äußerlich erscheinen wollte, desto heißer brannte sie in ihrem Inneren; je mehr sie sich bemühte, ihre Gedanken an ihn zu verscheuchen, desto mehr erfüllte er ihren Geist. Zumindest war es eine Ablenkung von jener größeren Furcht, dem Gewicht des Mysteriums, das so geringfügig war und dennoch so grauenvoll, versteckt unter ihrem Hemd. Sie Überließ es Gereint, sich in ihren Räumen zurechtzufinden, während sie sich auf das bisschen Schlaf vorbereitete, das sie in dieser Nacht finden mochte.
Kurz nachdem sie die Dienerinnen nach ihrem Bad fortgeschickt hatte, erschien ein zweiter Knappe an der Tür: Gereints Freund und Lehrer Riquier, schwer beladen mit Gereints Sachen und einer Auswahl von Waffen. Sie hatte die leise Hoffnung, er würde bleiben, aber nach einem kurzen Höflichkeitsaustausch und dem Versprechen, zu den morgendlichen Schwertkampfübungen zurückzukehren, machte er sich auf den Rückweg zum Haus des Rosenordens.
Damit blieben nur noch sie und Gereint. Die Dienerschaft war zwar in Rufweite, doch es gab keine Zofen oder Wärter, die über Averils Tugend wachten.
Sie würde selbst darauf achten müssen. Die Schwierigkeit lag darin, es stark genug zu wollen, dachte sie. Gereint verstaute seine Sachen in dem Alkoven, der ihrer Zofe gehört hätte, wenn sie noch eine gehabt hätte. Die Pritsche schleppte er jedoch in den größeren Raum und stellte sie quer vor die Tür. Ihr Bett war wie ein Zimmer, ein gepolsterter Schrank mit einem vergitterten Fenster, das auf einen tief unten liegenden Hof hinausging. Es war zu klein, um eine Fluchtmöglichkeit zu bieten, und sein Gitter war aus Eisen geschmiedet und in die Wand eingelassen. Nur Insekten oder flüchtige Feenwesen konnten durch diesen Weg kommen oder gehen.
Averil wollte sich in diesen schrankartigen Raum zurückziehen und sich bis zum Morgen darin verstecken. Gereint entkleidete sich bis auf Hemd und Kniehose und platzierte ein kurzes Schwert und ein Messer neben seiner Pritsche. Dann kniete er nieder und senkte den Kopf, als wolle er beten. Sie nahm an, dass man es als Beten bezeichnen konnte, wenn es ein Gebet war, nach den Mächten zu rufen und Schutzzauber durch den Raum zu wirken.
Als er den Kopf hob, hockte sie da und begutachtete die Schutzwerke, die er errichtet hatte. Sie tat so, als würde sie sein Stirnrunzeln nicht bemerken. Sollte er sich doch grämen; er hatte es nicht anderes verdient.
Nach einer Weile sagte sie: »Du hättest das niemals tun sollen.« »Warum nicht? Wolltet Ihr die Schutzzauber selbst errichten? Comtesse, ich hatte nicht vor …«
Sie hob die Hand. Er unterbrach sein Geschwätz. »Ihr wisst, dass ich mich darum nicht schere«, sagte sie. »Warum wolltest du unbedingt hierherkommen? Wir waren beide besser dran, als ich in diesem Zimmer war und du im Ordenshaus.«
»Vielleicht waren wir das«, sagte er, »aber das war bevor wir wussten, was Ihr bei Euch tragt. Es ist notwendig, dass wir zusammen sind, Herrin. Wenn wir beim Angriff getrennt sind, bleibt vielleicht nicht genug Zeit, das Nötige zu tun.«
»Was ist nötig? Woher willst du wissen, was es ist? Woher willst du überhaupt irgendetwas wissen?«
»Comtesse«, sagte er in bewusst ruhigem Tonfall, »mittlerweile weiß ich schon ein wenig. Vielleicht nicht so viel wie Messire Peredur über Waffen weiß, aber genug. Der Rest liegt bei Euch.«
»Es ist der Rest dessen, was in mir ist, das mir Sorgen macht«, sagte sie grimmig.
Im Lampenlicht war es schwer auszumachen, aber seine Wangen schienen ein wenig gerötet. »Wir sind gewiss stark genug, um das zu überwinden.« »Bist du es?«
»Ich muss«, sagte er.
Welch glücklicher Mensch, die Welt derart naiv zu betrachten. Averil streifte die Kette ab und hielt ihm das trügerisch kleine Ding unter die Nase, das so viel Unglück verursachte. »Dann nimm dies hier an dich. Bewahre es statt meiner. Suche einen anderen, der es übernehmen kann, wenn du kannst. Wenn sie dann kommen und nach mir suchen, finden sie nichts weiter als eine Herzogin im Exil, auf der Suche nach einem Mann, den sie in Ehren heiraten kann.«
Die Worte ließen ihn nicht zusammenzucken, was ihre Absicht gewesen war. Auch das Amulett nahm er nicht an sich. »Wenn es so einfach wäre, meint Ihr nicht, dass die Ritter oder die Königin es uns gesagt
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