Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
hätten? Dieses Ding kommt zu der Person, die sie erwählt. Ihr könnt es nicht weggeben, bevor Eure Zeit vorbei ist.«
»Das könnte eher sein, als es uns allen lieb wäre«, sagte sie.
»Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
Sie wollte ihn verspotten, ihn forttreiben, aber sie konnte sich nicht derart verstellen, nicht einmal um sie beide zu retten. Seufzend ließ sie das Amulett wieder unter ihr Hemd gleiten. »Glaubst du, Gott lacht uns aus? Oder ist es eine andere Macht, die uns zu dem gemacht hat, was wir sind?«
»Ich glaube nicht, dass die Mutter sich um die Gesetze der Sterblichen schert«, sagte er.
»Ich weiß, dass sie das nicht tut. Aber wir sind Sterbliche. Wir müssen uns darum kümmern.«
»Vielleicht sollten wir das nicht«, sagte er.
»Sag das nicht.«
»Und wenn es wahr ist?«, fragte er. »Und wenn alles, was man uns gelehrt hat, falsch ist? Warum sind wir so, wenn wir nicht sein können, wozu wir offensichtlich bestimmt sind? Sind wir irgendein göttlicher Fehler?« Sie stand auf und wich zurück. »Hör damit auf. Du klingst wie der Schlangenkult.«
Er wurde bleich, aber der Damm war gebrochen. Er konnte nicht aufhören, genauso wenig wie sie. »Wir können so nicht weitermachen, Herrin. Ich kann nicht glauben, dass wir leiden sollen wie Mönche in der Fastenzeit, die sich mit Träumen von reich gedeckten Festtafeln peinigen. Es muss einen Grund für all das geben — und einen Ausweg aus der Misere.«
»Vielleicht gibt es den«, sagte sie. »Vielleicht werden wir beide tot sein, bevor wir vor lauter Verlangen nacheinander den Verstand verlieren.« »Ich möchte nicht sterben«, sagte er. »Ich möchte diesen Krieg gewinnen und das Mysterium loswerden. Dann möchte ich, dass die Welt sich ändert. Wie kann irgendetwas zwischen uns eine Sünde sein? Hat Gott uns nicht so geschaffen, wie wir sind?«
Sie presste sich die Hände auf die Ohren. Es nutzte nicht viel. Seine Frustration tobte in ihrem Inneren und spiegelte ihre eigene Verzweiflung wider.
»Das war ein schlechter Einfall«, sagte sie. »Du hättest wegbleiben sollen. Wir sind nicht mehr die Unschuldslämmer, die wir einmal waren. Wir tun nichts weiter, als einander zu quälen.«
»Mag es auch eine Qual sein«, sagte er, »wir sind sicherer, wenn wir zusammen sind als getrennt.«
»Das hier ist sicher?«
»Möchtet Ihr Heber Körper und Seele sterben lassen, als entehrt zu werden?« »Ja!«, schrie sie. »Das meint Ihr nicht so.«
Verdammter Bauerntölpel, genauso stur wie sein eigener Maulesel. Dazu von tödlicher Scharfsichtigkeit. Niemand konnte so weit oder so klar denken wie Gereint.
Er sah direkt durch sie hindurch. Sie wollte ihn deswegen hassen - es würde die Dinge erleichtern. Es kostete sie all ihre Kraft, ihn nicht noch mehr zu lieben, als sie es bereits tat.
»Was können wir tun?«, fragte sie. »Was können wir uns jemals erhoffen? Ich möchte kein edles Opfer bringen. Ich möchte auch keinen adligen Ehemann. Ich will dich. Aber ich kann dich nicht haben.«
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Hat Longinus seine Melusine geheiratet? Madeleine hat er nicht geheiratet, das weiß ich. Unser Priester in Remy hat das immer sehr übel genommen. Er predigte uns stets, ihrem Beispiel nicht zu folgen.«
»Noch können wir ihm jetzt folgen«, sagte sie, obwohl ein vager Hoffnungsschimmer in ihr keimte.
»Warum? Gibt es ein geschriebenes Gesetz, das besagt, dass Ihr heiraten müsst? Was ist, wenn Ihr doch noch Eure Gelübde ablegt und Priesterin werdet? Dann könnt Ihr nicht heiraten, nicht wahr? Hebt dann nicht ein Gesetz das andere auf?«
»Du hast Logik studiert«, sagte sie. »Ist dir klar, wie gefährlich das ist?« Sein Grinsen erschreckte sie. »Das sagt Riquier auch immer. Er ist mein bester Lehrer. Priesterinnen heiraten doch nicht, oder? Aber es ist ihnen nicht verboten, Kinder zu gebären. Die Nachkommen hätten auch nicht den Makel einer unehelichen Herkunft, nicht wahr? Weil ihre Mütter Priesterinnen sind. Es ist dasselbe wie bei den Rittern: Es gibt Ahnenreihen von ihnen in den Orden. Mauritius entstammt einer solchen Ahnenreihe, von Ritter zu Ritter bis zurück zu Gahmuret. Riquier ebenso, er stammt vom gesegneten Ilderim ab. Gibt es nicht auch Ahnenreihen von Priesterinnen?«
»Hat dich niemand die Wahrheit gelehrt?«, fragte sie mit einem Anflug von Schärfe. »Priesterinnen können die Erlaubnis bekommen zu heiraten, wenn ihr Rang oder ihre Blutlinie es erforderlich macht, oder sie
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