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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Zuflucht suchen. Da ich wusste, was für Kreaturen auf solchen Klippen leben, machte ich mich wieder unsichtbar, und in der Dunkelheit hörte ich Stimmen. Offenbar war ich auf dem Nistplatz des ältesten aller Klippenalpe gelandet. Er war blind und die anderen brachten ihm zu essen, stinkendes Aas von tief unten. Und sie fragten ihn um Rat.
    ›Großvater‹, sagten sie, ›wie weit reicht dein Gedächtnis zurück?‹
    ›Sehr weit‹, erwiderte er mit einer leisen, altersschwachen Stimme, ›in die Zeit lange vor den Menschen.‹
    ›Stimmt es, dass bald die größte Schlacht aller Zeiten geschlagen wird, Großvater?‹
    ›Ja, Kinder. Sie wird sogar noch größer sein als die letzte und ein Festmahl für uns alle. Es wird eine Zeit der Fülle und der Freuden für die Alpe aller Welten sein.‹
    ›Und wer wird siegen, Großvater? Wird Lord Asriel die höchste Autorität bezwingen?‹
    ›Lord Asriels Armee zählt Millionen‹, sagte der alte Klippenalp, ›und seine Krieger kommen aus allen Welten. Sie ist größer als die Armee, die vor Urzeiten gegen die höchste Autorität kämpfte, und besser geführt. Die Truppen der höchsten Autorität sind zahlenmäßig hundertmal so stark, doch ist die höchste Autorität Jahrtausende alt, noch viel älter als ich, Kinder, und ihre Soldaten haben Angst, und jene die keine Angst haben, strotzen vor Selbstgefälligkeit. Es wäre ein knapper Ausgang, aber Lord Asriel würde siegen, weil er leidenschaftlich und kühn ist und an die Gerechtigkeit seiner Sache glaubt. Doch fehlt ihm eines, Kinder. Er hat nicht Æsahættr. Ohne Æsahættr werden er und seine ganze Armee vernichtet werden. Und unser Tisch ist auf Jahre gedeckt, Kinder!‹
    Er lachte und nagte an dem stinkenden alten Knochen, den sie ihm gebracht hatten, und die anderen kreischten vor Freude. Ihr könnt euch vorstellen, wie angestrengt ich lauschte, um mehr über diesen Æsahættr zu erfahren, aber alles, was ich über dem heulenden Wind hörte, war ein junger Alp, der fragte: ›Wenn Lord Asriel Æsahættr braucht, warum ruft er ihn dann nicht einfach?‹
    Worauf der alte Alp erwiderte: ›Lord Asriel weiß von Æsahættr genauso wenig wie du, Kind! Das ist ja der Witz! Lacht alle mit mir … ‹
    Doch als ich versuchte näher an die stinkenden Kreaturen heranzukommen, um mehr zu erfahren, versagten meine Kräfte, Schwestern, und ich konnte mich nicht mehr unsichtbar machen. Die jungen Alpe sahen mich und schrien gellend, und ich musste fliehen und durch den unsichtbaren Durch  gang in der Luft in diese Welt zurückkehren. Einige folgten mir, und die toten Alpe da drüben sind die letzten von ihnen.
    Doch es ist klar, dass Lord Asriel uns braucht, Schwestern. Wer immer dieser Æsahættr ist, Lord Asriel braucht uns! Ich wollte, ich könnte gleich zu ihm zurückkehren und ihm sagen: Hab keine Angst, wir kommen, wir Hexen aus dem Norden, und wir helfen dir zu siegen … Serafina Pekkala, lasst uns jetzt gleich beschließen, einen großen Rat aller Hexen einzuberufen, an dem alle Clans teilnehmen, und dann in den Krieg ziehen!«
    Serafina Pekkala sah Will an, und es schien ihm, als bitte sie für etwas um seine Erlaubnis. Aber er konnte ihr nicht helfen, und so sah sie wieder Ruta Skadi an.
    »Wir nicht«, sagte sie. »Unsere Aufgabe ist es jetzt, Lyra zu helfen, und ihre Aufgabe ist es, Will zu seinem Vater zu führen. Ihr müsst zurückfliegen, aber wir müssen bei Lyra bleiben.«
    Ruta Skadi nickte ungeduldig.
    »Nun, wenn ihr das müsst«, sagte sie.
    Will legte sich hin, weil seine Wunde ihm wehtat – jetzt noch mehr als am Anfang, als sie noch frisch gewesen war; seine ganze Hand war geschwollen. Auch Lyra legte sich hin, Pantalaimon an ihren Hals gekuschelt, sah durch halb geschlossene Lider ins Feuer und lauschte schläfrig dem Gemurmel der Hexen.
    Ruta Skadi ging in Begleitung Serafina Pekkalas ein Stück flussaufwärts.
    »Ihr solltet Lord Asriel erleben, Serafina Pekkala«, sagte die lettische Königin leise. »Er ist der größte Feldherr, den die Welt je gesehen hat. Jede Einzelheit seiner Armee steht ihm klar vor Augen. Denkt nur, wie kühn das ist, gegen den Schöpfer in den Krieg zu ziehen! Aber wer könnte eurer Meinung nach dieser Æsahættr sein? Wie kommt es, dass wir noch nie von ihm gehört haben? Und wie können wir ihn dazu bringen, sich Lord Asriel anzuschließen?«
    »Vielleicht ist er gar kein Mann, sondern eine Frau, Schwester. Wir wissen so wenig wie der junge Klippenalp. Vielleicht

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