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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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bei der Marineinfanterie, von Beruf Forschungsreisender.
    Der zweite Bericht war sechs Wochen später verfasst worden. Er besagte in Kürze, die Expedition habe die nordamerikanische Vermessungsstation in Noatak in Alaska erreicht.
    Der dritte Bericht war zwei Monate später erschienen. Darin stand, Signale der Station seien nicht erwidert worden, John Parry und seine Begleiter seien vermisst.
    Es folgte eine kurze Serie von Artikeln über Gruppen, die die Vermissten vergeblich gesucht hatten, Suchflüge über dem Beringmeer, Reaktionen des archäologischen Instituts, Interviews mit Angehörigen …
    Wills Herz klopfte, denn da war ein Bild seiner Mutter, mit einem Baby im Arm. Das Baby war er.
    Der Reporter hatte die übliche tränenreiche Geschichte von der ängstlich auf ein Lebenszeichen wartenden Frau geschrieben, und Will fand darin enttäuschend wenig tatsächliche Fakten. In einem kurzen Absatz hieß es, John Parry habe erfolgreich bei der Marineinfanterie gedient, sie aber verlassen, um sich auf die Organisation geographischer und wissenschaftlicher Expeditionen zu spezialisieren. Das war alles.
    Der Index enthielt keinen weiteren Verweis. Verwirrt stand Will auf. Irgendwo musste es weitere Informationen geben, aber wohin sollte er sich als Nächstes wenden? Und wenn er für die Suche zu lange brauchte, würden sie ihn auf  spüren …
    Er gab die Mikrofilme zurück und fragte den Bibliothekar: »Können Sie mir bitte die Adresse des Instituts für Archäologie sagen?«
    »Ich kann nachschauen … Von welcher Schule kommst du denn?«
    »St. Peter’s«, sagte Will.
    »Das ist nicht in Oxford, oder?«
    »Nein, in Hampshire. Ich bin mit meiner Klasse auf Exkursion. Wir machen eine Umfrage zum Umweltbewusstsein der Bevölkerung.«
    »Ach so, ja. Was wolltest du noch gleich … Archäologie … hier haben wir es.«
    Will schrieb sich Adresse und Telefonnummer auf, und da er ja guten Gewissens behaupten konnte, sich in Oxford nicht auszukennen, fragte er nach dem Weg. Es war nicht weit. Er bedankte sich und marschierte los.
     
     
    Im Innern des Gebäudes kam Lyra an einen großen Tisch am Fuß der Treppe, hinter dem ein Pförtner saß.
    »Wo willst du hin?«, fragte er.
    Genau wie zu Hause, stellte sie erfreut fest und tastete nach Pan in ihrer Brusttasche.
    »Ich habe eine Nachricht für jemanden im zweiten Stock«, sagte sie.
    »Für wen?«
    »Dr. Lister.«
    »Dr. Lister ist im dritten Stock. Wenn du etwas für ihn hast, kannst du es hier abgeben. Ich benachrichtige ihn dann.« 
    »Ja, aber es ist etwas, das er dringend braucht. Er hat soeben darum gebeten. Genau genommen handelt es sich gar nicht um einen Gegenstand, sondern um etwas, das ich ihm sagen muss.«
    Der Pförtner sah sie misstrauisch an, wusste der nichtssagenden Höflichkeit, über die Lyra verfügte, wenn sie wollte, aber nichts entgegenzusetzen. Er nickte schließlich und vertiefte sich wieder in seine Zeitung.
    Das Alethiometer nannte Lyra natürlich keine Namen. Den Namen von Dr. Lister hatte sie von einem Fach an der Wand hinter dem Pförtner abgelesen, denn wenn man vorgab, jemanden zu kennen, wurde man eher reingelassen. In mancher Hinsicht kannte Lyra Wills Welt besser als er. 
    Im zweiten Stock kam sie auf einen langen Gang. Hinter einer offenen Tür sah sie einen Hörsaal, hinter einer anderen ein kleineres Zimmer, in dem zwei Wissenschaftler vor einer Tafel diskutierten. Die Räume und die Wände des Ganges waren kahl und schmucklos, sie passten besser zu armen Leuten, fand Lyra, nicht zu Wissenschaftlern und der Pracht von Oxford; doch waren die Ziegelwände sauber gestrichen, die Türen aus schwerem Holz und die Treppengeländer aus poliertem Stahl, also kostspielig. Auch das war seltsam an dieser Welt.
    Sie fand die Tür, die das Alethiometer ihr genannt hatte, rasch. Auf dem Türschild stand »Forschungslabor für dunkle Materie«, und darunter hatte jemand von Hand R.I.P. gekritzelt. Eine andere Hand hatte mit Bleistift hinzugefügt »Direktor: Lazarus«.
    Lyra verstand nicht, was damit gemeint war. Sie klopfte und die Stimme einer Frau sagte: »Herein.«
    Sie betrat ein kleines Zimmer, dessen Boden voll gestellt war mit schwankenden Bücherstapeln und Stößen von Papier; die Tafeln an den Wänden waren mit Zahlen und Gleichungen bedeckt. An die Rückseite der Tür hatte jemand die Zeichnung eines Musters geheftet, das chinesisch aussah. Durch eine offene Tür sah Lyra in ein weiteres Zimmer, indem so etwas wie ein

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