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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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vielleicht … ach, ich weiß nicht, sagen wir doch einfach, mein Cousin hat ein oder zwei Worte fallen lassen, was er besser nicht hätte machen sollen. Weißt du etwas darüber?«
    Es wäre so einfach für Tomik gewesen, Neel zu beschuldigen. Doch dann dachte Tomik an Petra und was sie in einer Situation wie dieser machen würde. Er stellte sich vor, wie
ihre Silberaugen aufblitzten. Sie würde sagen: »Wage es bloß nicht, Tomik. Du schuldest ihm was.«
    Also presste Tomik seine Lippen fest aufeinander.
    »Ich werde dich den kleinen Fischen verfüttern«, sagte Treb.
    Tomik schüttelte den Kopf. »Wirst du nicht.«
    Treb stand auf und packte Tomik beim Hemd. »Was«, knurrte er, »mach ich dir keine Angst?«
    »Wenn du mich umbringen willst. Ich bin doch schon tot.«
    »Stimmt.« Treb gab Tomiks Hemd frei. »Aber ich hab gute Lust, dich in den Bunker zu schmeißen und dich da morgens, mittags und abends drinzubehalten. Das würde dir wohl kaum gefallen, oder?«
    »Nein.«
    »Dann sagst du’s mir?«
    »Nein.«
    Treb kicherte. »Dann ist es ja gut, dass ich die Antwort schon weiß. Und es ist gut für dich, Junge, dass du ein Geheimnis bewahren kannst.«
    Treb öffnete eine Falltür, die so gut eingepasst war, dass Tomik nicht den Unterschied zwischen ihr und den übrigen Holzplanken des Bodens hätte erkennen können. Treb zog eine lederbespannte Truhe nach oben, die er aufschloss. Er hob einen runden Ballen Tuch heraus, gut sechzig Zentimeter im Durchmesser, den er in den Armen wiegend zum Tisch brachte und vor Tomik auf die Platte stellte. Dann wickelte er das Tuch ab.
    Tomik bekam vor Staunen große Augen.
    Er hatte schon früher Landkarten gesehen. Karten seines Landes, sogar von Europa. Doch seine ganze Welt, angeordnet auf der Oberfläche einer so großen Kugel, hatte er noch nie gesehen.

    Er sah seine Heimat, bedrängt von Nachbarländern. Böhmen war so klein.
    Er sah Marokko, schätzte ab, wo sich die Pacolet auf dem Ozean befinden musste, und war verwundert, welche Strecke sie schon zurückgelegt hatten. Er fand die englische Insel mit ihrer verschnörkelten Gestalt und wusste nun, wie weit sie es noch hatten.
    Tomik streckte die Hand aus und drehte die Kugel. Das Braun der Kontinente und das Blau des Wassers verschwammen ineinander. Mit einem Finger hielt er den Globus an. Seine Haut prickelte. Er nahm die Hand weg und sah einen roten Funken. Es war in Böhmen - er vermutete, die Position eines Schlupflochs. Überall auf dem Globus waren rote Lichtpunkte.
    Tomik erinnerte sich an seine eigenen Worte zu Neel in Sallay: Ihr wärt in der Lage, Kriege zu führen.
    Treb bemerkte die Besorgnis, die über das Gesicht des Jungen zog. »Dieser Globus bringt keinen großen Nutzen ohne seinen Zwilling, aber wer beide Mercatorgloben besitzt, verfügt über eine ganz schön große Macht«, gab er zu. »In den falschen Händen könnten sie gefährlich sein.«
    »Dann zerstöre den einen hier«, sagte Tomik auf Tschechisch. Was er zu sagen hatte, war zu wichtig, um missverstanden zu werden.
    »Oh, nein.« Treb wackelte mit dem Finger. »Sei nicht so edel, Tom. Das ist zu übertrieben und dumm. Die Globen gehören zu den Roma.«
    Nach so vielen Jahren der Freundschaft mit Petra erkannte Tomik unvernünftige Starrköpfigkeit, wenn er sie sah. Er blickte von Treb weg und wieder auf den Globus. Er bemerkte die Linien, die die Kugel überzogen und sie in Rechtecke
teilten. Auf den flachen Karten hatte er schon Längen- und Breitengrade gesehen und wusste, dass sie zur Abschätzung von Entfernungen und für Reisen nützlich waren. Doch in der runden Form wirkten sie ganz anders.
    »Das sieht aus, als hätte jemand ein Netz über die Welt geworfen«, sagte er.
    »Und das müssen wir jetzt einfach nur noch einholen.«

    Als Tomik und Treb aus dem Kapitänsquartier auftauchten, hingen die Segel schlapp herunter. Es gab keinen Wind. Treb drehte sich einmal im Kreis, sah sich den Himmel in jede Richtung an. »Holt die Segel ein!«, brüllte er dann plötzlich zu den Maraki in der Takelage hoch. »Jetzt sofort!«
    »Warum?«, fragte Tomik.
    »Weil sie sonst in Fetzen gerissen werden«, brummte Treb. Schnell ging er zu Andras. »Warum hast du mir nicht früher was davon gesagt?«
    »Ich war mir nicht sicher …«
    »Du brauchst dir nicht sicher zu sein. Wenn du dir nicht selbst zusammenreimen kannst, wie man sich auf einen Sturm vorbereitet, dann gib mir wenigstens eine anständige Warnung, wenn einer aufzieht, und überlass das

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