Das Majestic-12 Dokument : Thriller (German Edition)
jedem Schritt schien die Häuserschlucht sie mehr und mehr zu verschlingen. Wie ein Labyrinth, aus dem es womöglich kein Entkommen gab. Sein Herz fing an, heftiger in seiner Brust zu schlagen und gleichwohl er dagegen ankämpfte, begann Panik in ihm aufzusteigen. Wohin er auch schaute, überall lauerten Gefahren, Ecken, Tore, dunkle Hauseingänge und die Furcht einflößenden, mit teuflischen Fratzen verzierten Fassaden. Er fühlte sich plötzlich wie ein Gefangener in Dantes Göttlicher Komödie. Eine Reise durch das Reich der Toten.
»Alles in Ordnung, Colin?« Susan sah ihn besorgt an. »Sie sehen blass aus.«
»Ich musste gerade an die ›Göttliche Komödie‹ denken.«
»Bis wir das Paradies erreichen, ist es noch ein Stück.«
»Und zuerst müssen wir durch die Hölle.«
»Jetzt hören Sie aber auf.«
»Es ist dieser Ort«, sagte er schwer atmend. »Er hat so etwas Bedrückendes. Ich muss hier raus, dann geht das gleich vorbei.« Wallace zwang sich, ein optimistisches Lächeln auf seine Lippen zu zaubern.
»Dann sollten wir dieses Backsteinlabyrinth schleunigst verlassen!« Susan ergriff seinen Ärmel und zog ihn energisch hinter sich her. Wallace folgte ihr ohne Gegenwehr. Beinahe willenlos. Nach weiteren schier endlos scheinenden Minuten strahlte ihnen ein Licht vom Ende der Gasse entgegen. Die Geräusche von sich unterhaltenen Menschen und Musik drangen durch die Dunkelheit und nach weiteren zwanzig Metern stießen sie endlich auf eine breite belebte Einkaufsstraße. Wallace spürte förmlich, wie das beklemmende Gefühl in seiner Brust sekundenschnell nachließ. Er atmete tief durch und genoss für einen Augenblick das bunte Treiben der Altstadt mit den zahlreichen, schön arrangierten Geschäften und kleinen Cafés. Er hatte das Gefühl, das Leben hätte ihn wieder.
Susan lächelte ihn flüchtig an, verkniff sich aber einen Kommentar. Wallace war ihr für ihr Schweigen dankbar. Er wusste, wie unsinnig seine Angst vor dieser schwarzen Enge war, und wie viel unsinniger sie auf Menschen wirken musste, die nicht davon betroffen waren und diese Art von Angst nicht nachvollziehen konnten. Schließlich überquerten sie einen freien Platz, auf dem eine ältere Dame ein paar Tauben fütterte. Wallace hielt erneut nach möglichen Verfolgern Ausschau, und nachdem abermals kein Verdächtiger weit und breit zu sehen war, verspürte er ein kurzes Glücksgefühl, ein Gefühl von Lebendigkeit in jeder einzelnen Zelle seines Körpers: Er war in Florenz. Mit einer schönen interessanten Frau. Für Wallace ein irrationaler, doch in seiner Wahrhaftigkeit aufregender Gedanke.
Der Hauptbahnhof lag ihnen gegenüber, getaucht in das goldene Licht der mittlerweile recht tief stehenden Sonne. Die Reise musste fortgesetzt werden. »Ich besorge uns zwei Karten«, sagte Wallace kurz und steuerte auf den Ticketschalter zu. Susan sah ihm ein wenig überrascht nach. »Autobus a Fiesole, por favore«, stammelte er vor dem Verkaufstresen und machte dabei eine Bewegung, als würde er einen Bus durch eine kurvenreiche Straße lenken müssen. Er kam sich ein wenig dämlich vor; die attraktive Italienerin am Schalter grinste aber nur amüsiert und fragte in gebrochenem Englisch: »Sie sind in Urlaub hier?« Dabei klang sie keineswegs albern. Vielmehr hatte ihr Englisch etwas äußerst charmantes.
»Si«, log Wallace und erwiderte verlegen ihr Lächeln.
»Sie problemlos kommen mit Bus Numero 7 hinauf nach Fiesole«, sagte sie und strich sich eine ihrer blondierten dicken Locken aus dem Gesicht.
»Oder«, fügte sie hinzu, »Sie machen lieber eines kleine Spaziergang durch Firence und fahren vom Piazza San Marco ab. Überall sehr schönes Cafes y Piazzas.«
»Ähm - Grazie«, sagte Wallace und lächelte die junge Italienerin an, die leicht errötete. »Ich suche eigentlich den kürzesten Weg, the shortest via …, nach da oben.« Er zeigte an die Decke.
»Ah, si.«Sie druckte eine Fahrkarte aus und schob sie unter dem Sicherheitsglas des Schalters durch. »Und - auch von das Hauptstraße aus bieten sich sehr interessantes Ausblicke auf das Stadt. Am romantischsten übrigens bei Sonnenuntergang.« Sie blinzelte gegen die untergehende Sonne und Wallace wusste nicht, ob sie nun wegen der Sonne oder seinetwegen zwinkerte. Ganz sicher wusste er aber, dass er nun ein wenig errötete. »Grazie«, grinste er erneut und nahm seine Karte in die Hand. »Ach - ich brauche übrigens zwei Karten«, sagte er in einem Tonfall, als wolle er sich
Weitere Kostenlose Bücher