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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
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nichts bewegt.
    Gegen neun Uhr dreißig öffnete sich schließlich die Eingangstüre erneut und Massimo trat heraus. Er war elegant gekleidet in Anzug, Mantel und Hut und trug trotz des regnerischen Wetters eine Sonnenbrille.
    Gemächlich schlenderte er die Gasse hinunter und bog um die Ecke. Erst nachdem er außer Sichtweite war, setzte sich das Cabrio in Bewegung und nahm den gleichen Weg.
    Tristan lächelte. Emmaline. Anscheinend wusste sie, wohin Massimo ging, denn sie folgte ihm, ohne direkte Sicht auf ihn zu haben.
    Einen so großen Abstand konnte Tristan sich nicht erlauben, aber auch er achtete darauf, so viel Distanz wie möglich zwischen sich und das Cabriolet zu bringen. Zwar ahnten weder Emmaline noch Massimo, dass sie verfolgt wurden, aber die Sinne der Zeitjäger waren schärfer als die der Menschen und er wollte eine Entdeckung nicht riskieren.
    Auf dem Campo dei Fiori ging Massimo in ein kleines Cafe. Der Platz war voll von Verkaufsständen, in denen Obst, Gemüse und Blumen angeboten wurden und die Menschen drängten sich dicht an dicht.
    Anscheinend hatte Emmaline ihr Auto geparkt, denn er sah sie versteckt im Eingang eines Tabakladens stehen. Durch die Menschenmenge hindurch blickte sie hinüber in das Fenster des Cafés, in dem Massimo gerade seine Zeitung aufschlug.
    Tristan konnte nicht anders, als sie anstarren.
    Sie trug einen grauen Mantel, darunter einen schwarzen Rollkragenpullover und eine schmale schwarze Hose. Ihr blondes Haar hatte sie im Nacken zu einem einfachen Knoten gebunden. Er erschrak fast als ihm auffiel, wie blass sie war. Auch aus der Ferne konnte er sehen, dass unter ihren Augen dunkle Schatten lagen, die die Blässe ihrer Haut noch unterstrichen. Ihr Gesicht war so ausdruckslos, wie das einer Puppe und ebenso still stand sie da.
    Doch mit einem Mal begann der Flammenkranz in ihren Augen zu flackern, dann erlosch er und ihre hellen Augen wurden beinahe schwarz. Dunkler Hass verdrängte die Beherrschung in ihrem Blick. Dann blinzelte sie und im Bruchteil einer Sekunde hatte sie die Kontrolle wiedererlangt- die Maske saß wieder an ihrem Platz.
    Drüben im Cafe hatte Massimo die Zeitung sinken lassen und sah lächelnd hinaus auf den Campo dei Fiori.
    Tristan schauerte. `Wir sind weiß Gott nicht besser als die Menschen, über die wir uns so gerne stellen`, dachte er, `Auch die Zeitjäger lieben und hassen und töten sich gegenseitig.`

    Zwei Tage lang folgte er Emmaline und Massimo. Die ganze Zeit über fragte er sich, wie sie ihn wohl vernichten wollte.
    An einem kühlen Morgen, vor demselben Cafe auf dem Campo dei Fiori, in dem Massimo anscheinend jeden Tag sein Frühstück einnahm, erhielt eine Antwort.
    Als Massimo sich auf den Heimweg machte, geschah erneut etwas mit Emmalines ausdruckslosem Gesicht, das Tristan noch mehr erschrak, als der Hass den er darin gesehen hatte.
    Triumph erhellte das silberne Feuer in ihren Augen. Plötzlich lag der Blick einer Raubkatze darin, die zum Sprung auf ihre Beute ansetzt.
    Sie stieg in ihren Wagen.
    `Wie raffiniert`, dachte Tristan, als er sah, dass das Cabriolet an Massimo vorbei glitt, dieser sich an den Hals fasste und lautlos zusammensackte. In Windeseile und anscheinend mühelos lud Emmaline den leblosen Körper in den Wagen und fuhr davon.
    Die Fahrt zur Müllhalde vor den Toren Roms schien endlos. Zweimal hätte er sie beinahe verloren, da er nicht riskieren wollte in letzter Sekunde noch entdeckt zu werden und deshalb einen sehr großen Abstand einhielt.
    Nachdem sie schließlich ihr Ziel erreicht hatten, versteckte er sich in einem Berg aus Altmetall und beobachtete das Geschehen.
    Was er miterlebte, brannte sich in sein Herz.
    Er war abgestoßen und fasziniert zugleich von Emmalines Kaltblütigkeit, von der Konsequenz, mit der sie ihren Plan umsetzte, ohne zu zögern, ohne zu zweifeln.
    Insgeheim hoffte er, mit der gleichen Professionalität handeln zu können, wenn der Tag seiner Rache kommen würde.
    Nachdem Emmaline Massimos Asche in einer Dose eingesammelt hatte und mit einem uralten Motorroller davon gefahren war, blieb Tristan noch lange in seinem Versteck sitzen und hing seinen Gedanken nach.
    Irgendwann kletterte er aus dem Autowrack und fuhr zurück zu Ilarias Haus.
    Sie erwartete ihn bereits.
    „ Und?“ Begierig alles über Massimos Exekution zu hören zog sie ihn in ein kleines Nebenzimmer und schloss die Tür. „Ich warte seit Tagen auf dich! Ist es vorbei?“
    Er bemühte sich um Bedauern in seiner Stimme.

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