Das Mallorca Kartell (German Edition)
den Abhang hinunter ins Tal, das bereits im Dunkeln lag.
Er wandte den Blick ab und sah in den Außenspiegel. Der Jeep hatte stark beschleunigt und war beinahe auf gleicher Höhe, als der Fahrer das Steuer nach rechts riss und Martins Wagen rammte. »Verdammtes Arschloch!«, schimpfte Martin und versuchte das ausbrechende Fahrzeug unter Kontrolle zu bringen. Der Aufprall hatte sein Auto gefährlich Nahe an den Abhang gedrängt, der nun steil vor ihm abfiel. Der kalte Schweiß brach ihm aus. Er spürte, wie die Reifen auf der rechten Seite im Schotter nicht mehr richtig griffen und die Karosserie sich drehte. Das Heck des Fahrzeugs hing schaukelnd in der Luft. Noch wäre Zeit, die Fahrertür aufzustoßen. Hektisch fingerte er nach dem Sicherheitsgurt. Der zweite Aufprall erwischte ihn mit noch stärkerer Wucht. Der Stoß katapultierte den Wagen über den Rand des Abhangs hinaus, und ihm war schlagartig klar, dass er es nicht mehr aus dem Fahrzeug schaffen würde. Der Jeep neigte sich. Martin drehte sich Hilfe suchend um. Bevor er rückwärts die steile Böschung hinabrutschte, erhaschte er einen kurzen Blick in das überraschte Gesicht des Fahrers, der ihm direkt in die Augen sah.
***
In letzter Minute erreichte er die Nachtfähre nach Barcelona. Er ärgerte sich gewaltig. Warum war ihm nicht aufgefallen, dass Cristinas Wagen von einem Mann gesteuert worden war? Die Idee mit dem Autounfall war ihm spontan gekommen. Er hatte ihren weißen Jeep mit den dunkelroten Zierstreifen durch Camp de Mar fahren sehen.
Noch im Fahrzeug hatte er die Mietwagenfirma angerufen und sein Auto als gestohlen gemeldet. Seine Erregung war immer stärker geworden, als ihm aufging, dass Cristina den Bergpass ansteuerte. Das war eine einmalige Gelegenheit, sie loszuwerden. Die Verfolgung war ein Kinderspiel. Auf dieser Serpentinenstraße konnte man wenige Meter Abstand zum Vordermann halten und wurde trotzdem von den Bergen versteckt. Die Stelle für einen unbemerkten Absturz hatte sich ihm geradezu aufgedrängt. Die hämische Freude über den geglückten Ausgang seines Plans war durch den Blick in Martins Augen zunichte gemacht worden. Was zum Teufel hatte er in Cristinas Jeep zu suchen? Hoffentlich hatte er sich das Genick gebrochen. Für Cristina musste er sich nun etwas Neues einfallen lassen. Seines dunklen Jeeps hatte er sich kurz vor Soller entledigt. Der Wagen war beinahe von selbst über die Böschung ins Dickicht gerollt. Es konnte Wochen dauern, bis man ihn finden würde. Die letzten Kilometer hatte er zu Fuß zurückgelegt. Noch vor dem Ort hatte er ein Taxi anhalten können, welches ihn rechtzeitig nach Palma zurückbrachte.
Für die Überfahrt mit der Nachtfähre hatte er wieder sein Touristenoutfit angelegt. Mit Baumwoll-T-Shirt, Jeans, bequemen Schuhen und dem Traveller-Rucksack sah er wie ein gewöhnlicher Urlauber aus. Er verdrückte sich auf das hintere Deck. Dort zündete er sich eine Zigarette an und paffte genüsslich.
Bald hätte er es geschafft. Der Arzt stand wegen des Totenscheins bereit. Nur für Cristina musste er sich etwas einfallen lassen.
Eine Woche noch, dann konnte er von der Bildfläche verschwinden und in Ruhe darüber nachdenken, wo er seinen Reichtum genießen wollte. Das Wichtigste war nun, Alfonso das Cap des Llamp abzuknöpfen. Das brächte nochmals einige Millionen ein. Warum sollte er sich nur mit den Doppelverkäufen der Grundstücke in der Cala Llamp zufriedengeben?
Die Fähre schaukelte gemächlich in der dunklen See. Die Sterne funkelten und er deutete das als gutes Omen. Niemand nahm Notiz von ihm. Ein Zigarette rauchender Tourist, der keinen Wert auf Kontakte legte, blieb niemandem in Erinnerung.
1.Mai
Die Fähre legte im Morgengrauen in Barcelona an. Zu Fuß verließ er die Rampenauffahrt und hielt Ausschau nach einem Mietwagenverleih. Fluchend marschierte er das Dock hinab, wo es nichts weiter gab als nach Öl stinkende Seile oder Netze. Nach fünfzehn Minuten konnte er endlich den Anlegeplatz verlassen. Um diese frühe Stunde waren kaum Fahrzeuge unterwegs. Froh über seine bequemen Schuhe, spazierte er den Passeig de Colón entlang bis zur Fußgängerzone, die vom Hafen bis ins Barri Gótic führte. Vielleicht würde er ein paar Tage in Barcelona verbringen, wenn alles vorbei war. Gutes Essen, Kultur, noble Hotels, Konzerte, Galerien.
Doch nicht heute. Das musste warten. Ein Schild mit den Öffnungszeiten zeigte an, dass er sich zwei Stunden gedulden musste, bevor er
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