Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
Vom Netzwerk:
Talmensch, der vorausstapfte. Es war windstill, der Himmel war mit niedrigen grauen Wolken verhängt, aber es schneite nicht, und die Gefährten waren froh darüber, denn in diesem verhältnismäßig ruhigen Wetter kamen sie immerhin besser voran als bei Schneefall oder, Gott behüte, bei Schneesturm.
    Die Wanderung verlief langsam und mühsam. Die Hügelkette zu ihrer Rechten nahm einfach kein Ende, und der schmale Streifen Wald am Horizont wurde nicht breiter. So werden wir es ganz sicher nicht innerhalb eines Tages schaffen, dachte Sergej wütend, während er den unermüdlich umherhuschenden Führer beobachtete. Woher nahm der Kerl nur die Kraft dafür? Jedenfalls durften sie auf keinen Fall auf offener Fläche Rast machen. Erstens wären sie damit für jedes Raubtier eine leichte Beute. Und zweitens würde ihnen Max’ Lagerfeuer-Set in der Nacht wenig nützen, da es weit und breit kein Holz gab.
    Sie wanderten und wanderten. Inzwischen war es taghell geworden. Die Hügelkette blieb ganz allmählich – fast widerwillig, wie es schien – hinter ihnen zurück. Keiner sprach, jeder konzentrierte sich aufs Gehen, wollte keine Kraft mit einem Gespräch verlieren, sie atmeten schwer und geräuschvoll unter ihren Atemschutzgeräten, in ihren Helmen. Sergej blickte zu seinem Sohn hinüber, wollte wissen, wie es ihm ging. Denis bewegte sich mit gleicher Geschwindigkeit
wie die anderen, beklagte sich nicht, sah seinen Vater nicht bittend an, aber Sergej bemerkte, dass feine Schweißtropfen über Stirn und Schläfen des Jungen rannen.
    Sie wanderten mehrere Stunden am Stück. Das freie Brachland schien endlos zu sein. Einmal sah Sergej sich um: Die Stadt war schon nicht mehr zu sehen, überall nur endlose, gräulich-weiße Weite. Wahrscheinlich waren hier früher, vor der Katastrophe, Straßen verlaufen, Schienen, Busse und Züge hatten verkehrt, Kinder waren auf Fahrrädern herumgefahren … Jetzt gab es nur endlose brache Flur und grauen Schnee mit bläulicher Färbung.
    Irgendwann tauchte rechts vor ihnen ein schwarzer Punkt auf und kam langsam näher. Sergej wandte sich Max zu und deutete in die Richtung. Der winkte nur ab. Recht hatte er: Sie mussten sich vorerst aufs Gehen konzentrieren; einmal angekommen, würden sie schon erkennen, worum es sich bei dem Punkt handelte.
    Denis stolperte und fiel schwer in den Schnee.
    Der Wilde sprang zu ihm hin, brüllte böse, fuchtelte mit seiner Keule … Und im gleichen Moment stand auch schon Angin da, stieß den Wilden zur Seite, legte das Gewehr auf ihn an. Dann zog er den Jungen heraus …
    »Schon gut, Onkel Angin! Schon gut …«, sagte der Junge. »Er ist nicht auf mich böse. Er will uns nur warnen, dass wir schneller gehen sollen, dass wir keine Zeit verlieren dürfen.«
    Der Wilde stieß beleidigte Laute aus, trödelte jetzt hinter ihnen her und schien ihnen bedeuten zu wollen: Macht, was ihr wollt, wenn ihr nicht auf mich hört.
    Der schwarze Punkt verwandelte sich in eine Reihe von Hochspannungsmasten. Irgendwie sind sie merkwürdig angeordnet, dachte Sergej, mitten im leeren Raum, ohne jede Verbindung. Früher waren sie sicher irgendwo angeschlossen gewesen. Etwa an eine Stadt. Aber in den vergangenen zwanzig Jahren hatte sich viel ereignet.
    Einige der Masten verbreiterten sich auf seltsame Weise nach oben hin. Weiß der Teufel, was das ist, dachte Sergej. Die Gruppe näherte sich stetig, und bald konnten sie erkennen, dass auf den Spitzen der Masten hölzerne Häuser errichtet worden waren. Das ist nur ein Traum, dachte Sergej. Sollte das allerdings wirklich ein verlassenes Dorf auf diesen ehemaligen Hochspannungsmasten sein, konnte man vielleicht nach einem möglichst unversehrten Haus Ausschau halten und sogar darin übernachten. Morgen würden sie dann mit neuen Kräften weiterziehen.
    Kaum hatte Sergej sich beruhigt, als das erste Unglück geschah.
    Der Wilde war zurückgeblieben. Zunächst hatte niemand darauf geachtet, da sie sich an seine rastlose, unberechenbare Fortbewegungsweise gewöhnt hatten. Aber als Max sich zufällig umsah, blieb er stehen und zog Sergej am Ärmel. Gemeinsam kehrten sie um.
    Der Wilde lag mit dem Gesicht nach unten in ihrer Spur. Aus seinem Körper ragten vier Pfeile: Zwei hatten die Kehle ganz durchstoßen, zwei weitere steckten unterhalb seines linken Schulterblatts.
    Sergej sah sich beklommen um. Keine Menschenseele. Was war das für ein Feind? Ein unsichtbares Wesen? Und
warum hatte er ausgerechnet diesen schweigsamen

Weitere Kostenlose Bücher