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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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einzige Waffe im Einsatz. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht doch mehrere Täter gewesen sein können. Wir müssen warten, bis wir alles ausgewertet haben. Vielleicht sind die Leute mit dem Citroën jemandem in die Quere gekommen. Eigentlich hatten die ja ein Picknick vorbereitet.«
    Jean ging hinten um den Wagen herum. Der Kofferraum stand offen. Der Picknickkorb stand auf den Hanfstängeln.
    »Ist das nicht Hasch?«, fragte Jacques laut, griff ein Hanfblatt und schaute Jean Mahon an.
    »Hanf. Aber das wird zu Hasch.«
    »Könnte das nicht ein Motiv für den Überfall sein?«
    »Vielleicht. Haben wir uns auch schon gedacht. Aber warum hat der Mörder den Hanf dann nicht mitgenommen?«
    »Vielleicht weil der Radfahrer kam?«
    »Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Vielleicht sind das Opfer eines Bandenkriegs«, sagte der Kommissar. »Wir haben viele Fragen zu klären.«
    Jacques schlenderte um den Wagen herum und steckte gerade den Kopf durch die offen stehende Tür des Beifahrersitzes, als er auf dem Rücksitz eine Bewegung wahrnahm.
    Ein Plüschmarienkäfer wurde vorsichtig von einer kleinen Hand durch eine kaum erkennbare Öffnung aus der Rücklehne herausgestreckt. So als sollte das Tierchen die Lage erkunden. Der Kopf des Käfers drehte sich leicht nach links, dann leicht nach rechts.
    Jacques stockte der Atem.
    »Jean«, flüsterte er, »Jean, schau mal! Jean!«

Kalila
    K alila folgte ihrem Knuddeltierchen langsam. Zuerst kam der Kopf. Sie schaute sich um. Dann kroch sie aus ihrem Versteck. Sie sagte kein Wort.
    Jean forderte über Funk eine Polizistin an und gab Order, dass alle sich vom Tatort zurückziehen und ruhig verhalten sollten.
    »Bonjour«, sagte Jean Mahon mit seiner tiefen Stimme in mildem Ton, ganz wie ein liebender Großvater. Diese weiche Seite von ihm kannte ich noch gar nicht, dachte Jacques, der sich der Lage hilflos ausgesetzt fühlte.
    Das Mädchen schaute den alten Kommissar aus seinen dunklen Augen mit wachem Blick an, antwortete aber nicht.
    Auf dem Waldweg kam Fabienne, eine junge Frau aus Jeans Truppe, eigentlich Spezialistin für Recherchen im Web, angelaufen. Sie winkte den Kommissar und den Untersuchungsrichter zur Seite und kniete sich vor das kleine Mädchen, das immer noch schweigend auf der äußersten Kante des Rücksitzes saß, die Beine zur Tür hinausbaumeln ließ und sein Plüschtier an Hals und Wangen presste.
    »Ich heiße Fabienne«, sagte die Polizistin, »ich bin von der Polizei, und wir sind deine Freunde. Wir wollen dir helfen. Wie heißt du?«
    Schweigen.
    »Hast du Durst?«
    Kalila nickte.
    Fabienne nahm eine kleine Plastikflasche, die sie in der Hand gehalten hatte, drehte den Deckel ab und reichte sie dem Kind.
    Das Mädchen legte den Käfer zur Seite, nahm einen kleinen vorsichtigen Schluck, setzte die Flasche ab, schaute Fabienne an, nahm einen größeren Schluck und trank. Ohne ein Wort zu sagen, reichte es die fast leere Flasche mit ausgestrecktem Arm zurück.
    »Hast du Hunger?«, fragte Fabienne.
    Kalila schüttelte zaghaft den Kopf.
    »Und kannst du mir nicht doch sagen, wie du heißt?«, fragte Fabienne.
    Das Mädchen schwieg.
    Es schaute an der Polizistin vorbei, als suche es etwas in der Ferne.
    Jacques trat einen Schritt auf sie zu, aber Jean hielt ihn mit kräftigem Griff fest, zog ihn einige Meter zurück und sagte: »Du darfst jetzt nicht mit ihr reden. Man darf einem Kind in solch einer Lage keine Fragen stellen, bevor man nicht ihr Vertrauen gewonnen hat. Und bis wir so weit sind, kann es Tage dauern. Wir müssen Geduld haben und sie in die Obhut von Leuten geben, die auf solche Situationen vorbereitet sind.«
    Jacques schwieg einen Moment, drehte sich vom Wagen weg und sagte leise: »Das wird schwierig. Ob sie uns überhaupt was sagen kann?«
    »Und noch schwieriger wird sein«, sagte Jean Mahon, »ob du es juristisch verwerten darfst! Das Mädchen ist nicht älter als sechs, sieben, acht.«
    »Versteht Fabienne was von Kindern?«, fragte Jacques.
    »Vermutlich hat sie eine entsprechende Ausbildung auf der Polizeischule bekommen, das ist eigentlich Pflicht für Frauen. Und ihr Schwager hat zwei oder drei Kinder. Er ist auch Polizist. Allerdings wohnt er in Rennes. Aber Fabienne hat mir erzählt, die ganze Familie mache jedes Jahr gemeinsam Urlaub im Familienhaus im Périgord noir. Eltern, Tanten, Brüder, Schwestern, Kinder. Wie in den guten alten Zeiten.«
    »Das habe ich nie gehabt«, sagte Jacques. Er war als Einzelkind im Süden

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