Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
Louis de Ronsard. Er hatte Mohammed eine Million überwiesen.
Jacques schrieb sich die Punkte auf, die jetzt schnell zu klären wären.
Von Ronsard wollte er wissen: Was steht im Vertrag? Weshalb hat er eine Million an Mohammed überwiesen? Wer hat Hariri als Vermittler bestellt? Und warum? Wer ist der zweite Vermittler? Welche Auflagen wurden den Vermittlern gemacht? An wen sollten sie was zahlen?
Hariri sollte drei weitere Punkte aufklären: Warum hat er Mohammed in den Wald von Ville-d’Avray bestellt? Wer ist der Mörder? Weshalb nannte er den Anschlag auf sein Leben einen Unfall?
Bei Margaux rief Jacques erst nach Redaktionsschluss an. Um halb neun sei er mit Jérôme im »Aux Folies« verabredet. Sie könne doch um neun, halb zehn dazustoßen.
Als Jacques im »Aux Folies« ankam, begrüßte Gaston ihn mit einer Umarmung und schob ihn in dem überfüllten Bistro Richtung Theke, wo ihm Jérôme einen Barhocker freigehalten hatte. Sie unterhielten sich flüsternd und mit dem Rücken zu den Gästen. Als Jacques merkte, dass der Arzt nichts von dem Video der kleinen Kalila wusste, ging er darauf auch nicht ein. Jérôme hatte sich mit seinem alten Freund Félix Dumas getroffen, der ihm schilderte, wie schwer der Fall Kalila zu lösen sei. Er habe angeordnet, sie erst einmal für die nächsten drei Tage zu sedieren. Danach müsse man dann auf Sicht fahren.
»Weitersehen?«, fragte Jacques.
»Ja, weitersehen. Auf Sicht fahren. Du weißt schon.«
Um kurz vor zehn klopfte Margaux beiden gleichzeitig sanft auf die Schulter. Sie begrüßte Jérôme mit einer Bise auf die Wange, Jacques stand auf und bot ihr seinen Hocker an. Sie lachte. Bleib mal sitzen, ich habe dir was zu lesen mitgebracht und gehe erst mal kurz meine Nase pudern. Sie reichte Jacques die druckfrische Ausgabe ihrer Zeitung vom nächsten Tag. Jérôme und Jacques stürzten sich beide gleichzeitig darauf.
Als Margaux wiederkam, sagte Jacques, in dem Artikel stimme einiges nicht. Aber im Bistro sei es doch arg voll. Wollen wir nicht noch bei mir in Ruhe ein Glas trinken? Jérôme, kommst du mit? Nee, Jérôme wusste schon, weshalb er sich zurückzog.
»Du hast ja meine Nummer eingespeichert«, sagte der Arzt lachend. »Melde dich, falls dir eine Frau mit einem scharfen Messer im Treppenhaus auflauert.«
»Gott, war das ’ne gruselige Geschichte«, sagte Margaux. »Ist die Frau eigentlich je gefunden worden?«
»Nie«, sagte Jacques, »eine eiskalte Berufsmörderin. Es würde mich nicht wundern, wenn sie für die Morde im Wald von Ville-d’Avray verantwortlich wäre. So brutal schnell wie die drei Leute im Auto und der Radfahrer umgebracht worden sind, kann das kaum jemand, der nicht darin geübt ist.«
Die Mörderin war auf ihn angesetzt worden, als er einen Mord untersuchte, der zu den Bestechungsgeldern führte, die beim Kauf der DDR -Raffinerie Leuna gezahlt worden waren. In seiner Wohnung öffnete Jacques eine Flasche Rotwein, setzte sich zu Margaux, die es sich auf der breiten Couch gemütlich gemacht hatte, und erzählte von den Tagen in Marrakesch. Von der Explosion vor dem Ingenieurbüro. Von der Verhaftung durch die Polizei.
Von dem Treffen mit Ali, von dem Bagger, der Rossi und Hariri in den Abgrund stürzte, von dem Lastwagen, der ihn fast das Leben gekostet hätte, von der Flucht durch die Rettaras, dem merkwürdigen Ort Kik, an dem die Gwana ihr Musikfestival feierten und von der abenteuerlichen Rückfahrt nach Marrakesch.
Als er eine Pause machte, um das dritte Glas Rotwein einzugießen, fragte Margaux: »Und was ist nun falsch an meinem Artikel?«
»Deine Einschätzung der angeblichen Attentäter von Marrakesch. Mit Schwarzpulver kannst du nicht solche Sprengkraft erzeugen. Das war mindestens TNT . Die Verhaftungen sind reines Schauspiel. Ali, mein geheimer Informant in Marrakesch, hat mir das schon vorausgesagt. Inklusive Schwarzpulver. Er hatte Informationen aus dem Geheimdienst. Also: Die Verhaftung war eine getürkte Aktion, um das Volk zu beruhigen.«
»Wer war es dann?«
»Vielleicht wissen wir morgen mehr.«
»Warum?«
»Ich sage es dir nur, wenn du bereit bist, dich bis morgen früh in Schutzhaft zu begeben. Damit du es niemandem stecken kannst.«
»Schutzhaft nennst du das?« Margaux lachte.
Und erst viel später sagte sie: »Du hast mir ja noch gar nicht gesagt, weshalb ich hier in Schutzhaft bin.«
Er schaute auf seine Uhr, die neben dem Bett lag.
»Wir wissen viel mehr, als du dir in diesem Fall
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