Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
vorstellen kannst. In vier Stunden werden Büro und Privathaus von Ronsard durchsucht, und Ronsard wird verhaftet.«
Nächtlicher Besuch
P echschwarz war die Nacht morgens um vier. Eine dunkle Wolkendecke hatte sich über Paris gelegt. Gao Qiu zog sich schwarz an, steckte eine dunkle Strumpfmaske ein und eilte die ausgestorbene Rue de Belleville hoch. Unter dem Eingangsbogen zu dem Innenhof, in dem die Praxis des Arztes lag, verharrte er einen Moment, wartete, bis sich sein Herzschlag beruhigt hatte und schaute sich das Haus an.
Nachdem YuanYuan ihm die Tür gezeigt hatte, durch die die kleine Frau gegangen war, hatte er zwei Nächte lang die Umgebung ausgespäht.
In der ersten Nacht hatte er einen jungen Kerl gesehen, versteckt im Torbogen. Er verriet sich, weil er ab und zu rauchte. Nach drei Stunden wurde er von einem zweiten abgelöst. Der klingelte gegen drei an der Tür zur Arztpraxis und wurde eingelassen. Gao Qiu klemmte eine kleine Kamera, die auf Bewegungen reagierte, zwischen eine Regenrinne und die Hauswand und richtete sie auf die Tür des Arzthauses. Er kontrollierte sie am Nachmittag wieder. Der junge Kerl war erst um sieben Uhr morgens wieder herausgekommen.
Am nächsten Tag drückte er YuanYuan dreihundert Euro in die Hand und gab ihr den Auftrag, den Arzt wegen heftiger Bauchschmerzen aufzusuchen. Er zeigte ihr die Stelle, wo die Bauchspeicheldrüse sitzt. Wenn der Arzt sie dort abtastete, sollte es ihr wehtun. Als sie klagte, ein Arztbesuch koste Geld und müsse gleich bezahlt werden, legte er unmutig noch einmal hundert Euro drauf. Und dann schärfte er ihr ein, worauf sie achten solle.
YuanYuan hatte eine erstaunliche Beobachtungsgabe. Während sie in der Praxis wartete, bis sie dran war, suchte sie die Toilette auf. Die lag direkt neben einer Küche. Da stand ein Kinderteller im Abwasch, ein Becher mit Bildern von den Peanuts. Auf einem der Küchenstühle lag der blaue Pullover einer Frau, die so groß war, wie YuanYuan.
Gao Qiu gab ihr später noch weitere fünfzig Euro. Er glaubte jetzt zu wissen, wo sich die kleine Frau mit dem Mädchen versteckt hielt. Aber, so deutete YuanYuan den Pullover, da wohnte doch mindestens noch ein weiterer Erwachsener, wahrscheinlich eine Frau. Das könnte eine Polizistin sein. In Zivil, dachte Gao Qiu. Das wäre auch logisch. Denn das Kind wird vor ihm versteckt. Vor dem Mörder aus dem Wald von Ville-d’Avray.
Er hatte deshalb einen Plan im Kopf, den er für absolut sicher hielt. Wer auch immer in der Praxis übernachtete, musste mindestens für eine halbe Stunde ausgeschaltet werden. Die Vorbereitungen würde er heute treffen, morgen Nacht könnte er dann die Aufgabe ausführen.
Wieder stand ein junger Kerl im Eingangsbogen und rauchte. Wieder wurde er um drei Uhr abgelöst. Wieder klingelte der andere junge Kerl an der Tür und wurde eingelassen.
Gao Qiu wartete eine halbe Stunde. Niemand ließ sich blicken. Dann kletterte er an der Regenrinne bis in die zweite Etage, band sich eine Schlaufe mit einem Seil, das er mit zwei Krampen an einem Fenstersims befestigte, setzte sich in die Schlaufe und markierte mit einem Klebeband eine Stelle am unteren Ecke eines Fensters im hinteren Teil der Praxis. Hier irgendwo müssten das Mädchen und seine Bewacher schlafen. Dann zog er einen kleinen modernen Bohrer mit Diamantspitze aus einem Beutel und setzte ihn auf dem Klebeband an.
Die Spitze des Dremels drehte sich schnell, regelmäßig und leise. Nach drei Minuten zeigte ein leises Pfeifen an, dass ein Loch durch das Fenster gebohrt worden war, ohne einen Sprung in der Scheibe zu verursachen.
Gao Qiu packte sein Werkzeug schnell und leise ein, zog das Klebeband vom Glas ab und polierte die Stelle mit einem Mikrofasertuch, das keine Spuren hinterließ. Aus einer Brusttasche zog er ein dünnes Plastikrohr und schob es durch das Loch. Es passte perfekt. Morgen Nacht würde er mit seiner gesamten Ausrüstung wiederkommen.
Das Objekt wird morgen Nacht behandelt, tippte Gao Qiu als Kurzmitteilung für Monsieur in sein Handy.
Der Minister wütet
» I ch werde überhaupt nicht mit Ihnen reden. Ich habe nichts zu sagen!«, schrie der ehemalige Innenminister den Kriminalkommissar an. Und fügte grob hinzu, er könne ihn mal am Arsch lecken.
»Sie verstehen, dass ich Ihre Aussage jetzt notieren und von Zeugen bestätigen lasse«, sagte Jean Mahon. »Als Sie noch Innenminister waren, haben Sie jedem Polizisten eingebläut, er solle gegen Beleidigungen sofort
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