Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
entspricht. Ich glaube, es gibt zwei Galerien ganz oben auf den Turmbauten. In früheren Zeiten haben sie vermutlich zu einem Tempel gehört. Heute geben sie einen hervorragenden Schlupfwinkel für einen Scharfschützen ab.
Der Rest des Bauwerks bietet wenig Grund zur Freude. Vier Eingänge führen zu dem Hof – einer liegt unserem gegenüber, je ein weiterer befindet sich auf beiden Seiten. Alle führen zu Gängen wie dem, aus dem wir gekommen sind. Eine Reihe Säulen und Zwiebelbogengewölbe formieren sich zu einem Bogengang, der durch den Innenbereich des Hofes führt. Ich sehe ungefähr zwei Dutzend Türen, die, wie ich vermute, zu den Quartieren der Minenbewohner führen, was bedeutet, dass die Räumlichkeiten weitgehend schutzlos sind, sollte der Feind in den Wohnhof vordringen.
Die Luft riecht abgestanden, aber fruchtbar. Wie ein alter Stiefel. In dem Pilze wachsen. Wind peitscht von links nach rechts über das Pflaster und trägt weiteren Staub mit sich. Komisch, ich dachte, wenn ich in einer Höhle bin, entkomme ich dem Wind, aber hier ist es genauso schlimm wie auf der Oberfläche. Sonst gibt es hier nicht viel. Ein paar Gerüste, auf denen die Minenarbeiter Reparaturen am Mauerwerk durchführen. Weitere ausgebleichte Fahnen, diesmal mit der Losung der Revolution: FREIHEIT, GLEICHHEIT, GERECHTIGKEIT. Davon ist nichts zu spüren. Ein trauriger Gedanke – die Minenarbeiter haben dabei geholfen, die Orthokratie zu stürzen, und dieser Ort vermittelt nicht den Eindruck, als hätte ihre Mühe sich für sie ausgezahlt.
»Bring uns nach oben«, sage ich zu Spiner.
»Hier entlang.« Er führt uns zwei kurze Treppenläufe hinauf. »Hier schlafen und essen wir.«
»Wie steht es mit Latrinen?«, fragt Jenkins.
»Wir graben jeden Monat eine neue.«
»Kein Rohrleitungssystem?«
Spiner lacht. »Die Orthokraten haben die Abwasserkanäle gesprengt, als sie abgehauen sind. Als Trinkwasser leiten wir Schmelzwasser aus der Tundra ein.«
»Kein Rohrleitungssystem!«, brüllt Jenkins. »Als Nächstes erzählst du uns noch, ihr habt kein Klopapier.«
»Das hat die Orthokratie auch mitgenommen«, sagt Spiner und kratzt sich an seinen Bartstoppeln.
»Diese quallenfressenden Badeanzugträger!«, braust Jenkins auf.
Fuse klopft ihm auf die Schulter. »Ist schon gut, Jenks. Reg dich nicht so auf. Wir werden fürstlichen Ersatz für dich finden. Oder wir stopfen uns die Bäuche mit Aminobrei voll, dann kommen wir gar nicht in die Verlegenheit, das Zeug zu brauchen, nicht wahr?«
Während Fuse Jenkins besänftigt, stelle ich zur Unterstützung meiner Vermutungen ein paar Berechnungen an. Der Bogengang ist etwa drei Meter breit und wird von einer Reihe Gaslaternen beleuchtet. Das Bauwerk kann uns gute Feuerstellungen liefern, aber es gibt nur ein paar Mauerbögen, kleine Säulen und eine Brüstung, die uns Deckung geben können. Kein geeigneter Ort für ein Feuergefecht, so viel steht fest.
»Hast du die Umgebung erfasst, Mimi?«, frage ich.
»Scheißt der Bischof in den Wald?«
»Habe ich irgendwas übersehen?«
»Wenn du es nicht gesehen hast, dann habe ich es auch nicht gesehen.«
»Was ist mit den Augen in meinem Hinterkopf?«
»Dein Anzug verfügt nicht über dieses Upgrade.«
»Okay!«, rufe ich meinem Davos zu. »Sagen wir den Leuten, die wir retten sollen, guten Tag.«
KAPITEL 16
H ÖLLENKREUZ , A USSENPOSTEN F ISHER F OUR A NNOS M ARTIS 238. 4. 0. 00:00
Die Tür öffnet sich in völlige Finsternis. Spiner schaltet seine Stirnlampe an und lässt den Lichtstrahl durch den Raum wandern, sucht alle vier Ecken ab, findet aber nur leere Tische und Bänke. »Der Raum ist leer«, sagt er verwirrt und reibt sich den Nacken. »Es ist niemand da.«
»Scharfsinnig beobachtet. Regulatoren, Gebiet sichern.« Während die anderen Verteidigungsstellung einnehmen, scanne ich rasch den Bogengang und den Hof nach Lebenszeichen. Das Höllenkreuz ist so still wie ein Friedhof. Das Hämmern, das mir zuvor aufgefallen war, ist verstummt.
Ich gehe die Stufen zum Hof wieder hinab und suche nach Spuren auf dem gekachelten Boden. Nichts. Aber es sollte welche geben, es sei denn, jemand hat sie verwischt. Es gibt auch keine Anzeichen für einen Überfall. Die Minenbewohner sind entweder freiwillig gegangen oder sie waren gar nicht in dem Versammlungsraum. Wieso verstecken sich die Leute, die zu retten wir tausend Kilometer weit gereist sind, vor uns?
»Mimi?« Nun kontrolliere ich die Zugänge. Wie still es auch sein mag, es
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