Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
A USSENPOSTEN F ISHER F OUR A NNOS M ARTIS 238. 4. 0. 00:00
Einmal, ich war noch ein Kind, habe ich meinen Vater zu einer Firmenveranstaltung begleitet. Das Personal hat mir erzählt, ich würde zu einer Party gehen, und dann haben sie mich in einen steifen Anzug gesteckt, der dem meines Vaters bis hin zur Krawatte und der gemusterten Hose glich. Drei Stunden lang stand ich neben ihm und habe andere Führungskräfte begrüßt. Ich konnte nichts trinken, nichts essen, konnte nicht einmal zur Toilette gehen. Und die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wann die Party endlich losgehen würde – und war dann umso verwirrter, als wir gingen, ehe sie angefangen hatte. Ungefähr so empfinde ich hinsichtlich Áines Ausflug in die Eishöhle. Ich hatte einen kriegswichtigen Schauplatz erwartet, der sich jedoch als Kulisse für ein romantisches Intermezzo entpuppte.
Vier Stunden später schlendere ich über subterrane Straßen, mache mich mit der Umgebung vertraut und bekomme ein gutes Gefühl für unser Territorium, während ich zugleich den Streit mit Áine in meinem Kopf wälze. Habe ich ihr falsche Hoffnungen gemacht? Diese Frage stelle ich mir noch Stunden, nachdem ich in unser Quartier zurückgekehrt bin, als Maeve an die Tür klopft und nach uns ruft.
»Frühstück!«
»Frühstück!« Jenkins braucht keine drei Sekunden, um aus seiner Koje zu springen, in Anzug und Stiefel zu schlüpfen und so wahnwitzig wie rasant zur Tür zu stolpern. Weitere sechs Sekunden und eine plattgedrückte Nase später weiß er, dass die Tür geschlossen ist und der Mechanismus verlangt, dass man den Griff nach oben zieht, nicht einfach daran reißt. Ich kann das so genau abschätzen, weil er mich bei meinem Morgengebet stört und ich seine Zeit stoppe.
»He, Jenks!«, ächzt Fuse, der sich gemächlich von seiner Pritsche rollt und mit einem knochigen Bums! auf dem Boden aufprallt. »Gib einem Seemann wenigstens eine Minute, um in seine Unterwäsche zu taumeln, ja? Was soll die Eile?«
»Mein Bauch ist leer, und die aasige Tür geht nicht auf.«
»Anheben«, sagt Vienne, die neben mir im Lotussitz in einer Ecke sitzt und dem Raum den Rücken zukehrt. Vor uns befindet sich ein Altar, und unser Quartier ist angefüllt mit den scharfen Ausdünstungen brennenden Räucherwerks. Zweimal am Tag nimmt Vienne sich Zeit für Gebet und Meditation. Morgens geselle ich mich bei der Meditation zu ihr. Es beruhigt mich, zu meditieren. Reinigt meinen Geist. Hilft mir, mich zu konzentrieren.
»Häh?«, macht Jenkins, und ich höre, dass er sich am Kopf kratzt.
»Den Griff anheben«, sagt Vienne, deren Stimme mich an ein ruhendes Gewässer erinnert.
»Hab’s! Wer zuletzt am Tisch sitzt, ist ein Schuft!«
»Kommt ihr mit zum Frühstück?«, fragt Fuse, als er angezogen ist.
»Gleich«, antworte ich.
»Na schön.«
Er geht. Luft fegt in den Raum und trägt den Geruch des Räucherwerks hinauf zur Decke. Meine Blicke folgen dem Rauch; ich beobachte, wie er sich auflöst. Ein sicheres Zeichen dafür, dass ich die Konzentration verloren habe.
»Du bist unruhig«, sagt Vienne mit geschlossenen Augen. Ihre Hände liegen auf ihren überkreuzten Beinen, die Finger bilden ein O.
»Müde.«
»Aber da ist noch etwas, nicht?«
Wie soll ich es ihr sagen? Ich bin letzte Nacht aufgewacht und du warst nicht da, also bin ich dich suchen gegangen und wurde von einer Suse shanghait, die erst versucht hat, mich zu bespringen, und mich dann erschlagen wollte? Oder dass ich jetzt, wo ich neben dir sitze und du deinen Kopf so hältst – so wie jetzt, die Augen geschlossen, die Lippen leicht geöffnet –, dass ich kaum imstande bin, meinen Atem zu kontrollieren, ganz zu schweigen von meinem Chi?
»Nein, ich bin nur müde«, sage ich.
»Aha.« Sie lässt meine Lüge in der Luft hängen wie verbranntes Räucherwerk.
Dann aber wird der Augenblick von dem wilden Geräusch gestört, das Spiner hervorstößt, als er an unsere offene Tür hämmert, die Augen vor Entsetzen geweitet.
»Chief! Komm schnell!«
»Was ist los?«, rufe ich.
Spiner fällt auf die Knie, außer Atem vom Rennen. »Dræu! In den Tunnels. Kundschaftertruppe. Auf dem Weg. Nach Crazy Town.«
Verdammt! Zu früh! Die Sprengtruppen haben die Tunnels noch nicht versiegelt. »Mimi, mach einen Scan. Schnell.« Ich zerre Spiner auf die Beine. »Wie viele sind es?«
»Zu viele«, stößt er keuchend hervor. »Haben einen Grubenwagen verfolgt.«
»Einen Grubenwagen? Wer hat denn einen Grubenwagen
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