Das Matarese-Mosaik
Beherrschung zu verlieren. »In der Zwischenzeit«, fuhr er dann langsam fort, »habe ich das Boot geleast, das große Boot. Also machen Sie es leer, völlig leer. Und entlassen Sie die Mannschaft, die ganze Mannschaft. Und schicken Sie sie zu unserem Liegeplatz in Oman, nach Maskat. Der Scheich, der es übernimmt, hat seine eigenen Leute.«
»Ich verstehe, Sir. Das wird alles bis heute abend erledigt.«
»Aber suchen Sie um Himmels willen weiter nach dem Paket!« Guiderone knallte den Hörer hin und rief: »Pilot?«
»Ja, signore ?« hallte es aus dem keine drei Meter entfernten Cockpit.
»Wie sieht es mit Treibstoff aus?«
»Reichlich. Wir sind erst seit zweiundzwanzig Minuten unterwegs, signore .«
»Reicht es bis Marseille?«
»Leicht, signore .«
»Dann ändern Sie den Flugplan, und bringen Sie mich dorthin.«
»Sofort, signore Paravacini.«
Paravacini . Ein Name aus den vergessenen Archiven der Matarese, aber die wenigen, die ihn kannten, versetzte der Name, wenn nicht in Schrecken, so doch in erhebliche Besorgnis.
Die Firma Scozzi-Paravacini, die aus einer Ehe zwischen beiden Familien hervorgegangen war, hatte zu den ersten gehört, die der Baron Guillaume de Matarese zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts unter seinen Einfluß gebracht hatte. Im Laufe der Jahre war sie von anderen Unternehmen übernommen worden und in ihnen aufgegangen. Aber in manchen Teilen der Welt konnte Guiderone aus dem Namen noch Nutzen ziehen. Legenden leben lange, ganz besonders solche, die ihren Ursprung in der Angst haben. Obwohl Scozzi einer der ursprünglichen Erben gewesen war, war er bald zu einer Galionsfigur geworden. Es hieß, zwischen den Herren Scozzi und Paravacini sei es wegen der Verbindung mit dem Baron von Matarese zu einem heftigen Streit gekommen. Die Paravacinis hatten sich dazu entschlossen, sich dem korsischen Freibeuter anzuschließen, während die Scozzis das Gefühl hatten, betrogen worden zu sein, und sich deshalb für heftigen Widerstand entschieden, weil sie fürchteten, nach der Übernahme jeden Einfluß auf ihre Firma zu verlieren.
Im Laufe der Jahre entfremdeten sich die früher einmal unzertrennlichen Scozzis und Paravacinis, deren luxuriöse Anwesen nur wenige Meilen voneinander entfernt am Ufer des Comer Sees lagen, in einem Maße, daß sie nichts mehr miteinander zu tun haben wollten. Mit der Zeit erwuchs daraus eine regelrechte Feindschaft. Mehrere hochbezahlte Direktoren der Firma, denen man nachsagte, auf der Seite der Scozzis zu stehen, wurden ermordet, und es ging die Rede, ihre Mörder seien von den Paravacinis bezahlt worden, auch wenn es dafür nie Beweise gab. Dann wurde eines Tages die Leiche des ältesten Sohns und Erben der Familie Scozzi an das Ufer des Comer Sees gespült; angeblich war er ertrunken. Aus Angst vor den als gewalttätig bekannten Paravacinis versäumte es die Polizei von Bellagio zu melden, daß man in der Brust des Toten einen winzigen Einstich entdeckt hatte, der bis ins Herz reichte. Die Behörden hatten allen Anlaß zur Vorsicht, weil einige männliche Nachkommen der Paravacini Priester geworden waren, wichtige Priester, Emissäre des Vaticano ! Unter solchen Umständen bewegte man sich mit größter Vorsicht.
Die Scozzis verkauften durch Vermittlung ihrer Anwälte
ihre Interessen an ein anderes großes italienisches Konsortium, die Tremontes, eine äußerst wohlhabende Familie, die fest in der jüdisch-christlichen Ethik verankert war. Und wer konnte beide besser kennen? Die Tremontes hatten ihren Aufstieg zu internationaler Bedeutung damit begonnen, daß sich ein brillanter italienischer Jude mit einem ebenso scharfsinnigen Katholiken zusammentat. Zunächst wurde diese Verbindung sowohl seitens der Kirche als auch der Synagoge mit Stirnrunzeln betrachtet, aber als die Familie sich dann beiden Religionen gegenüber als ungewöhnlich großzügig erwies, verstummte die Kritik bald.
Aber in den Mittelmeerländern, ganz besonders in Italien, überlegte Julian Guiderone, hatte der Name Paravacini noch einen besonderen Klang. Man nahm sich einem Paravacini gegenüber keine Freiheiten heraus, weil es sonst leicht dazu kommen konnte, daß man binnen weniger Stunden tot war. Es war nur eine Frage der Wahrnehmung.
Was die Tremontes und ihre bigotte Religiosität anging, so war durchaus möglich, daß der Tod ihres polospielenden Anwalts in Amerika ihre Antipathie gegenüber den Matarese schwinden ließ. Sie wußten, daß ihm andere folgen konnten. Das war die
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