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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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akribisch, von einem Ende bis zum anderen. »Ich weiß momentan nicht, wie diese Stöcke heißen«, sagte er. Horn hielt das Blatt hoch. »Das ist aber leicht«, sagte der Inspektor, »viel leichter als Tallahassee, überhaupt für jemanden, dessen Familie aus China stammt … Na komm! … Pandabären fressen es.« Der Bub fasste sich an die Stirn. »Ich bin so blöd«, sagte er, »– Bambus.«
    Warum Bambus, fragte Horn, und der Bub sagte, er habe keine Ahnung, aber vielleicht werde er selbst bald einen Bambusstock bekommen und alle anderen, die dazugehörten, auch. Weshalb er das glaube, fragte Horn. Weil sie es so gesagt habe, antwortete der Bub.
    »Und wer sind alle anderen – Felix? Britta? Noch jemand?«
    Horn sah die Irritation im Gesicht des Buben, zugleich einen Anflug von Auskunftsbereitschaft, er sah, wie der Inspektor sich nach vorn beugte, um die Antwort besser zu verstehen, und er sah direkt vor sich den Bambusstock und den Wels auf dem Grund des Aquariums mit seinen Bartfäden und seinem großen Maul.
    Andrea Emler war eine souveräne Sekretärin und ließ sich durch kaum etwas unter Druck bringen, auch nicht durch Horn selbst. Es tue ihr leid, sagte sie, es sei ihr bewusst, dass nur Dringendes durchgestellt werden dürfe, aber seine Frau sei am Apparat und sie klinge eindeutig beunruhigt. Horn ächzte auf, erhob sich und ging zur Tür.
    Irene Horn schrie sonst nie. Zuletzt hatte sie es getan, knapp bevor Michael ausgezogen war, in den Wochen, als Mutter und Sohn in einer ziemlich grässlichen Weise versucht hatten, reinen Tisch zu machen: Ich habe mich zerrissen für dich und du hast es mir nicht gedankt! Du bist eine böse Frau und hast mich nie gemocht! All das war fünf Jahre her, und inzwischen verstanden es die beiden, einander aus dem Weg zu gehen.
    »Tobias!«, brüllte sie ins Telefon, »es war Tobias!« Was sei Tobias gewesen, fragte er. »Im Auto, er war im Auto!«, schrie sie. Er trat auf den Gang hinaus. Er hasste es, wenn plötzlich die Angst um jemanden aus der Familie in ihm hochkochte.
    »In welchem Auto!«, fragte er.
    »Im Volvo! In deinem Volvo!«
    Der Volvo stehe in der Garage, sagte er, unter Garantie. Er habe am Morgen das Rad genommen, sie habe ihn selbst wegfahren gesehen. »Ja eben!«, schrie sie.
    »Was: ja eben?«
    In der Garage sei er auch noch gestanden, als sie selbst um halb neun in den Suzuki gestiegen sei. Sie habe ihre drei Vormittagsstunden in der Musikschule gehalten, im Supermarkt eingekauft und sei dann wieder nach Hause gefahren. Vielleicht hundert Meter nach der Abzweigung von der Bundesstraße sei ihr der Volvo entgegengekommen. Sie habe das erst registriert, als sie im Vorbeifahren Tobias am Steuer erkannt habe. Bis sie in der Lage gewesen sei, zu reagieren, habe der Wagen die Bundesstraße erreicht gehabt, und im Rückspiegel habe sie nicht mehr erkennen können, ob er nach rechts oder links abgebogen sei. Im Erzählen schien sich Irene Horn ein wenig zu beruhigen. Manchmal täuscht sie sich, dachte er, aber diesmal hat sie recht. Es stiehlt nämlich kein Mensch dieses Auto, nicht, wenn es unversperrt auf der Straße steht, und schon gar nicht aus einer Garage, an der nur Feldhamster vorbeikommen oder Wanderer, die sich verirrt haben. »Ich rufe die Polizei an«, sagte sie. Das könne sie sich sparen, sagte Horn, er habe die Polizei gerade an der Hand, beinahe buchstäblich. Sie solle warten, bis er nach Hause komme. »Wann?«, fragte sie.
    »Sobald es geht. Hier ist es ruhig.«
    »Ich habe Angst«, sagte sie. Ich auch, dachte er, sagte aber nichts.
    Inspektor Mauritz saß neben Sen Wu an Horns Schreibtisch und half ihm, einen Verbrecher zu zeichnen. »Einen echten«, sagte der Inspektor und grinste. Die Person, die ihn geschlagen habe, sei nämlich kein echter Verbrecher, habe Sen gemeint. Horn betrachtete das Bild. Böse Augen, ein Tuch vor Nase und Mund, einen Revolver in der Hand, einen im Gürtel. Der Inspektor war dabei, dem Mann Stiefel anzuziehen, der Bub gab dem Tuch vor seinem Gesicht ein kariertes Muster. »Ihr Sohn wird’s einmal gut haben«, sagte Horn. »Warum?«, fragte der Inspektor. »Weil er einen Vater hat, der weiß, wie ein Verbrecher aussieht.«. Der Inspektor lachte. »Wissen ist immer relativ«, sagte er. Als die beiden fertig waren, fragte Horn, ob er die Zeichnungen behalten dürfe. Der Bub legte die Blätter nebeneinander auf und betrachtete sie. Den Stock nicht, antwortete er schließlich, den Stock wolle er selbst

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