Das Mauerblümchen erringen (German Edition)
Gesprächs. Sie sind nun eine reiche Erbin, und man hat mir zu verstehen gegeben, dass Sie von Ihren Eltern die Weisung erhalten haben, unsere Verlobung zu lösen.“
„Cyrus“, sagte sie, ohne auf ihn einzugehen. „Der Name gefällt mir.“
Ein Blitz schoss aus seinen grünen Augen, er glaubte wohl, sie mache sich über ihn lustig. Doch Lucy hatte nun einen verwegenen Mut gefasst. Schließlich hatte sie ja nichts mehr zu verlieren. „Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Cyrus. Haben Sie mich nur deswegen ausgesucht, weil ich das ranghöchste Mädchen war, dessen Eltern Sie als Schwiegersohn akzeptieren würden?“
„Nein“, entgegnete er prompt. „Wie Sie sicher wissen, gab es da auch zwei Herzogstöchter, die — vom Standpunkt des gesellschaftlichen Ranges — geeigneter gewesen wären als Sie.“
„Wohl wahr. Doch Lady Mary hat ein arges Problem mit Pickeln“, machte Lucy geltend.
„Sie besitzt nicht Ihre Schönheit.“
Da musste sie ihm in die Augen schauen. „Sie finden mich schön?“
„Ja.“ Doch sein Ton war kalt, um nicht zu sagen grimmig. „Wenn dies eine Art Spiel sein soll, so muss ich Ihnen sagen, dass es mir nicht gefällt.“
Lucy richtete sich auf, sodass ihre Brüste ein wenig hervorragten. Einer ihrer Vorzüge, wie sie fand. Ärgerlicherweise wandte Cyrus die Augen nicht von ihrem Gesicht ab. „Warum sind Sie nur so verdammt höflich?“, herrschte sie ihn an.
Nun blitzte in seinen Augen der erste Zornesfunken auf. Lucy durchrieselte ein Schauer der Erregung: Jedes Gefühl war besser als Langeweile oder Desinteresse.
„Sie erwarten wohl, dass sich ein Mensch meiner Herkunft vulgär verhält?“
„Was hat Ihre Herkunft damit zu tun?!“, rief sie, warf sämtliche Anstandsregeln über Bord und schlug ihm mit dem Fächer aufs Knie. „Soweit ich weiß, ist Ihr Vater ein brillanter Anwalt. Ich habe den Bericht über seinen neuesten Triumph in der London Gazette gelesen. Und Ihre Mutter ist die Tochter des früheren Herzogs von Pole. Herkunft hat nur insofern mit unserem Gespräch zu tun, als Sie mich aufgrund meiner Herkunft zur Braut erkoren haben. Offensichtlich ist meine Abstammmung das einzig Wertvolle, das ich Ihnen bieten kann.“
Cyrus hatte das seltsame Gefühl zu ertrinken, während er in Miss Towertons — nein, Lucys — Augen schaute. Diese hatten eine überaus merkwürdige Farbe, ein silbriges Blau, wie der Himmel nach einem Regenschauer. „Das habe ich nie behauptet!“, stieß er hervor.
„Dann behaupte ich es an Ihrer Stelle“, erwiderte sie. Lucy Towerton war Cyrus immer wie eine äußerst beherrschte junge Frau vorgekommen, die selten eine Meinung äußerte und meistens mit dem Hintergrund verschmolz. Wenn ihm überhaupt etwas aufgefallen war, dann war es ihre Zerstreutheit. Sie schien in seiner Gesellschaft stets an andere Dinge zu denken. Doch damit hatte er sich abgefunden.
Aber die Frau, die ihm hier gegenübersaß, würde wohl kaum mit dem Hintergrund verschmelzen. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen funkelten, und sie sah ganz danach aus, als könnte sie Probleme machen.
Eine leise Stimme im Hinterkopf riet ihm, schleunigst das Zimmer zu verlassen. Er sollte sich verbeugen, eine Entschuldigung murmeln und sich davonmachen, um eine neue Braut zu finden. Eine passende, sanfte Braut. Nicht eine, die unbequeme Fragen stellte und ihn mit lodernden Augen musterte.
„Und da ich nun einmal angefangen habe, kann ich Ihnen ebenso gut alle Gründe aufzählen“, fuhr Lucy fort. „Ihre Wahl ist auf mich gefallen, weil ich keine Pickel habe wie die bedauernswerte Lady Mary, weil ich die Tochter eines Earls bin und weil meine geringe Mitgift darauf hoffen ließ, dass meine Eltern einen reichen Bewerber nicht abweisen würden.“
Cyrus hatte noch nie ein Gespräch geführt, das diesem auch nur im Entferntesten ähnelte. „All dies ist wahr“, gestand er nach längerem Zögern. Er konnte sie einfach nicht anlügen — nicht, wenn diese klaren Augen ihn aufforderten, die Wahrheit zu
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