Das Mauerblümchen erringen (German Edition)
sie nur. Ganz schlicht.
Er zog eine Augenbraue hoch, wie sie es zu tun pflegte.
„Ich werde Sie nicht noch einmal küssen“, teilte sie ihm mit. „Ich kann nicht. Es ist sehr nett, dass Sie das unbedingt wollen, und ich weiß es zu schätzen. Aber an meinen Gefühlen hat sich nichts geändert.“
Am liebsten hätte Cyrus ein zorniges Knurren ausgestoßen, doch er beherrschte sich. „Da der Fall so liegt, will ich, falls ich gewinne, dass Sie mir eine Frage beantworten. Nein, drei Fragen.“
Das Grübchen erschien wieder auf ihrer Wange. „Hochmut kommt vor dem Fall, Cyrus. Und Sie sind der Inbegriff des stolzen Mannes, der auf einen Sturz zusteuert.“
„Oh, gestürzt bin ich bereits“, meinte er lässig.
„Ach, tatsächlich?“
„Gestern Abend.“ Er warf ihr einen Blick zu. „Sind Sie bereit? Ich gebe Ihnen einen Vorsprung, weil Tulip kleiner ist als Beast.“
„Beast? Biest? Was ist denn das für ein Name?“
„Es ist nicht wirklich sein richtiger Name“, gab Cyrus zu.
„Sie kennen nicht einmal den Namen Ihres Pferdes!“, rief sie ungläubig aus. „Schämen Sie sich, Cyrus. Was ist nur los mit Ihnen?“
Er ging auf das ein, was sie nicht gesagt hatte. „Ich mag nicht ganz bei der Sache gewesen sein, als ich um Ihre Hand anhielt, aber ich habe recht gewählt. Sie sind die perfekte Frau für mich.“
Lucy starrte ihn erschrocken an.
Cyrus grinste. Freude wallte in seinem Herzen auf, die kindische Freude an Flirt, Ausritten und der Nähe einer schönen Frau. „Ich habe recht gewählt“, wiederholte er. „Also, wie ist es mit dem Vorsprung? Ich muss Sie allerdings warnen: Beast wird Ihre Tulip vernichtend schlagen, ohne auch nur einen Tropfen Schweiß zu verlieren.“
Lucy flog den Weg hinunter, als ob Tulip Flügel hätte. Einen Augenblick lang genoss Cyrus den Anblick ihres geraden Rückens, der tief auf dem Pferdehals lag. Dann schüttelte er die sinnliche Verwirrung ab und ließ seinem Pferd die Zügel schießen.
Beast schüttelte heftig den Kopf und stürzte los. Lucy war bereits um die Kurve gebogen; Cyrus nahm sie in einem etwas geringeren Tempo. Doch dann trieb er Beast an, und sie rasten mit solcher Geschwindigkeit durch den Nebel, dass weiße Schleier aus Dunst hinter ihnen herwehten.
Einige Minuten lang hörte man nur das Stampfen der Pferdehufe. Gerade genug Zeit für Cyrus, um festzustellen, dass es ihm Spaß machte.
Spaß?
Er erinnerte sich nicht, wann er das letzte Mal Spaß gehabt hatte. Vielleicht als Junge, wenn er mit seinen Zinnsoldaten gespielt hatte.
Tulip wurde langsamer, beschrieb einen vollendeten Zirkel und kam auf ihn zu. Lucy hatte sich tief über ihren Hals gebeugt, und ihr Reithütchen saß wundersamerweise immer noch auf ihrem Haar.
Beast zuckte mit den Ohren. Als sie das Ende des Weges erreicht hatten, schwenkte er auf der Hinterhand herum. Cyrus beugte sich vor und raunte ihm zu: „Los jetzt, Beast. Jetzt werden wir die Damen vernichtend schlagen.“
Der Wallach machte längere Sprünge, überholte Tulip und Lucy noch vor der Wegbiegung, und als die beiden am Anfang des Weges anlangten, warteten Cyrus und Beast bereits auf sie.
„Sie Schuft!“, rief Lucy, sobald sie wieder zu Atem gekommen war. „Ein Gentleman hätte mich gewinnen lassen, wissen Sie?“
„Ich bin kein Gentleman.“ Er grinste. Das Grinsen fühlte sich fremd an ... und gut.
„Na schön, stellen Sie Ihre Fragen“, lenkte sie ein, ließ die Zügel fallen und hob die Hände zu ihrem Hut.
Cyrus schluckte. Lucys Reitkleid schmiegte sich an ihre Rundungen. Eine Welle von Hitze traf ihn unvorbereitet und er schaffte es eben noch, ein heiseres Stöhnen zu unterdrücken. Lucy steckte eine Haarnadel fest, rückte ihren Hut gerade und ließ die Arme wieder sinken.
„Stellen Sie mir drei
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