Das Mauerblümchen erringen (German Edition)
Schritt zurück und verneigte sich schwungvoll. „Miss Towerton, es war mir ein Vergnügen, Sie in den Hyde Park zu begleiten.“
Sie knickste. „Guten Morgen, Mr. Ravensthorpe.“
Und als der Butler der Towertons die Tür öffnete, war in der Ferne nur noch ein breitschultriger Herr zu sehen, der sich rasch entfernte.
13
Am späten Nachmittag machte der Herzog von Pole einen förmlichen Besuch und brachte einen Strauß Treibhausrosen mit. Lord Rathbone kam mit einem bezaubernden Veilchenstrauß. Cyrus ließ sich nicht blicken, wohl aber mehrere Mitgiftjäger unterschiedlicher Körpergröße.
Nachdem die Besuchszeit verstrichen war, verkündete Lucy, die am Ende ihrer Geduld war: „Mutter, ich werde den Herzog von Pole nicht heiraten. Er ist ein scheußlicher kleiner Mann, der Ähnlichkeit mit einer Schmeißfliege hat. Ich würde ihn am liebsten an die Wand klatschen.“
Ihre Mutter tobte, gab aber überraschend schnell nach.
Binnen einer Stunde plante Lady Towerton bereits Lucys Heirat mit Lord Rathbone.
Am Abend begann es wieder zu regnen, doch lange nicht so heftig wie am Tag zuvor. Es war ein sanfter Nieselregen, der Tautropfen im Haar hinterließ und den Gartenpfad benetzte, jedoch nie zu großen Tropfen ausartete.
Lucy hatte gebadet und schickte ihre Zofe schlafen, dann hüllte sie sich in einen Morgenmantel und machte einen Spaziergang durch den Garten. Zum ersten Mal war sie dort im Alter von fünf Jahren allein umhergewandert, wenn das ganze Haus schlief, sie hatte Glühwürmchen gejagt und sich schrecklich nach ihrer Schwester gesehnt. Und im Laufe der Jahre hatte sie gerade den stillen Garten der Nacht lieben gelernt.
Heute Nacht folgte sie einem Weg, den sie selbst mit verbundenen Augen gefunden hätte, selbst in schwärzester Nacht: Er führte geradewegs auf die niedrige Mauer zu, die den Blumengarten vom Küchengarten trennte.
Der Gärtner hatte nach Lucys Wunsch einen kleinen Sitzplatz auf die Mauer gebaut, und wenn sie dort saß, konnte sie in der Nachtbrise die Blumen auf der einen und Minze auf der anderen Seite riechen. Kein Duft war jedoch so gut wie der von Cyrus. Lucy saß mit angezogenen Knien auf ihrem Lieblingsplatz und dachte an ihn, als sie plötzlich genau dieser Duft anwehte: sauberer Mann, Zitronenseife, ein Anflug von Pferdegeruch ... Cyrus.
„Was in Gottes Namen tun Sie hier?“, fragte sie und wandte den Kopf. Im gleichen Moment legte sich eine Hand auf ihre Schulter.
„Ich war bei einem Hauskonzert, und Sie waren nicht da. Also bin ich zu Lady Purdrows Ball gegangen, doch dort waren Sie auch nicht.“
Er umarmte sie von hinten und zog sie an seine Brust.
Ein törichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. „Haben Sie Ihrem Cousin das Vergnügen gegönnt, Sie in Purpur bewundern zu dürfen?“ Sie ließ sich in den Kreis seiner Arme sinken.
Er zuckte die Achseln, und ihre Wange glitt an einem weichen Stoff entlang, der nur auf französischen Webstühlen gewebt worden sein konnte. „Ich habe meinem Cousin zu lange gestattet, über mein Leben zu bestimmen. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich ihn mit einem Fausthieb in den nächsten Landkreis befördern.“ Die Vorfreude war ihm ganz deutlich anzuhören.
Lucy dachte über dieses Vorhaben nach und zuckte im Geiste die Achseln. Pole war abscheulich und verdiente jeden Faustschlag der Welt. „Was haben Sie in meinem Garten zu suchen, Cyrus?“
„Ich bin hier, weil ich keinem Plan folge. Wie Sie befohlen haben.“
Darüber musste Lucy herzlich lachen. „Und was hätte Ihr Plan diktiert, abgesehen davon, dass Sie morgen früh mit mir ausreiten würden?“
„Einen förmlichen Besuch“, antwortete er und drückte seine Lippen auf ihre Schläfe. „Ich hätte es hingenommen, von Ihrer Mutter noch wochenlang böse angestarrt zu werden. Ich hätte mit Ihnen getanzt, wäre mit Ihnen ausgeritten, hätte Blumen geschickt, ein Gedicht auf Sie geschrieben. Nun ja, ein Gedicht schreiben vielleicht nicht,
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