Das Maya-Ritual
was auf Cozumel vor sich geht.«
»Und wo ist sie dann? Wohin hat Alfredo sie gebracht?«
»Das weiß ich nicht. Alfredo ist kein Mitglied der Cruzob.«
»Sind die Cruzob verantwortlich für das, was am Zenote Ixchel vor sich geht?«
»Nämlich?«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Sie haben die Aufzeichnungen von Dr. de Valdivia gelesen.«
»Ja. Und ich habe mit Bartolomé gesprochen. Und außerdem die Proben analysieren lassen, nach denen Sie mein Haus durchstöbert haben.«
»Sie irren sich erneut. Aber wie gesagt bin ich nicht hier, um mit Ihnen zu diskutieren. Ich bin hier, um die Handschrift zu holen.« Kan Ek begann, sich im Raum umzusehen.
»Sie wurde mir im Vertrauen überlassen«, sagte ich.
»Ich muss erst mit Bartolomé sprechen. Ich bezweifle, dass er das Buch an die Person weitergeben will, die am Tod seines Vaters schuld ist.«
Kan Ek warf mir einen hasserfüllten Blick zu.
»Bartolomé de Valdivia kämpft im Augenblick mit einigen Schwierigkeiten. Aspekte im Testament seines Vaters, auf die er nicht gefasst gewesen war, darunter das Besitzrecht an der Chilam-Balam- Handschrift. Ich denke nicht, dass er in der Stimmung ist, mit Ihnen zu reden.«
Ich glaubte ihm. »Nun gut. Warten Sie hier.« Nachdem ich die Spinne freigelassen hatte, hatte ich den Aktenkoffer zum Trocknen auf das Fensterbrett in meinem Schlafzimmer gestellt und den Stapel mit den Papieren einschließlich des Buchs auf mein Bett gelegt.
»Das glaube ich nicht«, sagte Kan Ek und zog eine Pistole aus dem Gürtel seiner Jeans.
»Legen Sie das Ding weg, um Himmels willen. Ich gehe nur in mein Zimmer, um das Buch zu holen.«
Kan Ek blickte finster. »Ich begleite Sie.«
Das war lächerlich. Ich gab nicht nach. »Für jemanden, der Sympathie für seine Sache gewinnen will, packen Sie es aber wirklich verkehrt an.«
»Wer will Sympathie?«
»Dann geht es also nur um Terrorismus als Selbstzweck?«
Kan Ek sah gekränkt aus, aber so wie ein Kind, das etwas ausgefressen hat und nun so tut, als fühlte es sich missverstanden. »Setzen Sie sich«, bellte er und zeigte mit dem Pistolenlauf auf eine Couch.
»Nur wenn Sie die Waffe wegtun.«
Er steckte die Pistole widerstrebend in den Gürtel. Ich setzte mich auf die Couch, während er wortlos auf und ab zu gehen begann. Dann drehte er sich zu mir um und sprudelte einen Sturzbach von Worten hervor. »›Mit der Ankunft des wahren Gottes, des wahren Dios, nahm unser Elend seinen Anfang.‹ So beginnt das berühmteste Chilam Balam der Maya. Als Kolumbus auf diese Seite des Ozeans kam, bedeutete das für euch eine Entdeckung - für uns eine Eroberung. Und die größte Lüge in der Geschichte dieser Eroberung ist, dass das Volk der Maya irgendwie bereits vorher verschwunden sei und rätselhafte Ruinen im Dschungel zurückgelassen hätte. Die Konquistadoren mussten diese Lüge verbreiten, um die Unterdrückung der Leute zu rechtfertigen, die sie als Bewohner des Landes vorfanden - Wilde, wenn man ihnen glaubte, aber in Wirklichkeit dieselben Maya, die seit Tausenden von Jahren dort lebten. Aus diesem Grund waren sie so fest entschlossen, unsere Bücher zu zerstören, uns unsere Sprache und Religion zu verwehren…« Kan Ek prüfte meinen Gesichtsausdruck, um zu sehen, ob ich ihm bis hierhin folgte.
»Ich stimme vielem von dem zu, was Sie sagen. Aber Sie räumen doch ein, dass Ihre Vorfahren praktisch alle Städte schon vor der Eroberung aufgegeben hatten, oder?«
»Sicher, das hatten sie. Weil sie nämlich nicht mehr unter dem Joch stehen wollten, das ihnen von ihren Anführern auferlegt wurde. Die ständigen Menschenopfer , die sicherstellen sollten, dass die Erde Früchte abwarf, dass das Wasser in den Brunnen sie nicht vergiftete, dass die Sonne am nächsten Tag wieder aufging.«
»Dann glauben Sie also nicht, dass sie von einer ökologischen Katastrophe überrascht wurden? Von einer Kombination aus Überbevölkerung und landwirtschaftlichen Methoden, die den Boden auslaugten?«
»Warum nicht Dürreperioden, denen Ausbrüche einer verheerenden, durch Wasser übertragenen Seuche folgten?«, höhnte er. »Nur heraus mit Ihrer Theorie - heutzutage jagt ja eine die andere.«
»Diese letzte stammt von einem Mann, der für die Belange der Maya gekämpft hat, aber schließlich von denen zu Tode gequält wurde, die behaupten, die Maya zu vertreten.«
»Aha, wir sind also wieder bei Dr. de Valdivia. Einem Mann, der sich von der mexikanischen Regierung kaufen ließ, als wir kurz davor
Weitere Kostenlose Bücher