Das Maya-Ritual
Karte von Cozumels Riffen zeigte, und ich hörte die beiden reden, als sie an der Straße aus dem Pick-up stiegen. Deirdre hatte Alfredo offensichtlich von ihrem Onkel, dem Priester, erzählt und wie er in den Händen des Pinochet-Regimes gelitten hatte.
»Ich glaube, dieser Onkel von dir war Marxist«, sagte Alfredo gerade, »aber ich bin mexikanischer Nationalist, verstehst du.«
»Aber du bist ein Maya. Warum solltest du loyal gegenüber Mexiko sein?«
»Weil die Völker Mexikos untereinander mehr gemeinsam hatten, als du denkst, einschließlich jener, die in den Gebieten lebten, die uns die Vereinigten Staaten weggenommen haben.«
Sie kamen durch den Torbogen und den asphaltierten Gehweg entlang, als ich das Schild in den Laden schleppte. Deirdre trug noch immer das marineblaue Kostüm, das ich von Kathy geborgt hatte.
»Mit genau diesem Argument haben uns die Briten früher dazu gebracht, in ihren Kriegen zu kämpfen«, sagte Deirdre mit Nachdruck. »Dass wir mehr mit ihnen gemeinsam hätten als mit ihren Feinden. Aber wichtiger ist in deinem Fall doch sicherlich, dass du reinrassiger Maya bist, aus einer Familie, in der es keine Mischehen gab.«
»Das stimmt. Deshalb können sie uns nicht ein Etikett wie Hispanio, Latino oder Mestize aufkleben oder was sie sich als Nächstes ausdenken. Tatsächlich haben sie uns bis vor kurzem einfach ›Indianer‹ genannt.«
»Und warum? Damit ihr euch unterlegen fühlt. Und zwar genau den Mexikanern, für die du kämpfen willst. So wie man uns als Paddys abgetan hat. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«
Alfredo rang noch um eine Erwiderung, als ich wieder aus dem Laden kam.
»Hallo, Leute«, sagte ich fröhlich. »Das reicht erst mal: Die Welt spielt schon verrückt genug, auf euren Beitrag kann sie verzichten.«
»Du hast Recht, Jessica«, sagte Deirdre, löste ihr Haar und schüttelte es aus. »Und ich bin so verschwitzt und klebrig, dass ich auf der Stelle eine Dusche brauche.« Sie verabschiedete sich von Alfredo und ging ins Haus.
»Hier wartet inzwischen ein kaltes Bier auf dich«, rief ich ihr nach, während sie die Treppe zur Wohnung hinaufging. »Wie steht’s mit dir, Alfredo. Willst du ein Bier?«
»Nein, danke. Ich bin heute Abend verabredet und habe mir überlegt…«
»Ob du den Pick-up nehmen kannst? Sicher. Die Schlüssel hast du ja bereits. Bis morgen.«
Ich war froh, dass er sich wieder verabredete. Wenigstens blieb er nicht an Deirdre hängen.
»Wie sah sie aus, diese Frau Dr. Flores?«
Wir saßen auf der Terrasse, tranken Bier und schauten zu, wie die Sonne unterging. Deirdre trug nur einen Bademantel.
»Ach, schwarzes Haar, das schon grau wird, straff nach hinten gebunden, ernstes Gesicht, frostiges Benehmen, kein Lächeln. Du kennst den Typ. Sie sind auf der ganzen Welt gleich.«
»Wie hat sie auf Eleanora reagiert?«
»Am Anfang gab sie sich gereizt. Dann erzählte ich ihr, wie wir es besprochen hatten, dass mein Mann und ich auf eine Bitte von Ken hin einen großen Betrag für das Herz-Reha-Programm der Klinik spenden. Darauf wurde sie die Freundlichkeit in Person, kann ich dir sagen.«
Ich lächelte über Deirdres Wagemut. »Und was hat sie über Kens Tod gesagt?«
»Dass es sich um gewöhnliches Herzversagen handelte. Sie sagte, die medizinischen Unterlagen meines Bruders würden ihnen vorliegen. Er hatte Ischämie am Herzen, und letztes Jahr wurde eine Angiografie bei ihm gemacht, die zeigte, dass sich die Gefäße rund um das Herz zunehmend verengten; man riet ihm, das Rauchen aufzugeben und sich gesünder zu ernähren. Sein Tod überraschte sie nicht im Geringsten, wie Dr. Flores voller Mitgefühl meinte.«
»Haben sie eine Autopsie durchgeführt?«
»Sie sagte, dafür bestand kein Anlass, da die Umstände, unter denen er aufgefunden wurde, nicht ungewöhnlich waren. Genauso wenig wie seine äußere Erscheinung.«
»Obwohl er wie ein Skelett aussah? Das Gesicht von blutigen Wunden übersät? Wem will sie das einreden?«
»Sie war eisenhart. Sie sagte, bei einem Schlaganfall können die Gesichtszüge verzerrt, der Mund zu einer Grimasse nach unten gezogen werden. Und die Haut wird sehr blass, was jede Unreinheit überdeutlich hervortreten lässt.«
»Unsinn! Ich glaube, Maria hätte den Unterschied bemerkt.«
»An diesem Punkt wollte ich schon die medizinischen Kenntnisse von Dr. Flores infrage stellen. Aber dann zog sie ihr Ass aus dem Ärmel - den Totenschein.«
»Hast du ihn gelesen? Oder noch besser, hast du eine
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