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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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Mitta hier? Ich muss mit ihr reden – Vorkehrungen treffen.“
    „Natürlich. Sie ist hinten.“
    „Dies ist Taya Ikara. Sieh zu, dass sie es bequem hat.“ Er wandte sich an Taya. „Ich muss mich kurz mit Alisters Wirtschafterin unterhalten.“ Fast sah er aus, als fürchte er Widerspruch. Aber die dunkle Livree der Zofe und der schwarze Stoff, mit dem man die Spiegel der Eingangshalle verhüllt hatte, reichten aus, um Taya an den traurigen Anlass ihres Besuchs hier zu erinnern. So nickte sie lediglich.
    „In Ordnung.“ Sie hätte sich gleich denken können, dass Cristof als Testamentsvollstrecker seines Bruders fungierte. „Ich warte auf Euch.“
    „Möchtest du die Flügel ablegen, Ikara?“, fragte die Zofe, sobald Cristof in einem Seitenflur verschwunden war. Taya nickte. Sie ließ die Flugausrüstung an der Garderobe zurück und folgte der Zofe in ein kleines Wohnzimmer, in dem ein Feuer brannte, an dem sie es sich bald gemütlich gemacht hatte, ein Glas Glühwein in der Hand. Alles hätte sehr schön sein können – wenn sie nicht ständig daran hätte denken müssen, dass sie sich im Hause eines Toten befand.
    Alisters Geschmack ging eher in Richtung moderne Kunst. Taya erkannte einige der Bilder, die an den Wänden hingen. Sie waren im Jahr zuvor anlässlich einer Ausstellung im Kunstmuseum von Ondinium gezeigt worden. Taya hatte sich die Ausstellung zusammen mit Cassi und Pyke angesehen, wobei die beiden Frauen Pyke allerdings rasch abgehängt hatten, nachdem sie sich eine halbe Stunde lang eine Tirade über die „Antiästhetik“ moderner Kunst hatten anhören müssen. Sie hatten keine Lust gehabt, über Kunst und Politik nachzudenken, hatten sich einfach nur an den Bildern erfreuen wollen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn Pyke dabei war.
    Auch Alisters Einrichtung wirkte modern, ganz auf der Höhe der Zeit. Das passte gut zu dem Bild von ihm, das sich in Tayas Kopf mehr und mehr zusammensetzte. So wie er lebte, hatte er sich auch eingerichtet, dachte sie. Immer auf der Suche nach Neuem. Das einzige, was so gar nicht zu ihm zu passen schien, war die Ordnung, die hier im Zimmer herrschte. Das Büro im Oporphyrturm war das reinste Chaos gewesen – aber dort oben hatte er natürlich auch keine Dienstboten besessen, die hinter ihm herräumten.
    Sie machte es sich in dem breiten Lehnsessel vor dem Kamin bequem, wärmte sich die kalten Finger am Weinglas. Neben der Tür tickte eine Standuhr vor sich hin. Ob Cristof sie wartete? Unwillkürlich wanderte ihr Blick zum Kaminsims, der leer war. Gut möglich, dass dort der Chronometer hingehörte, den Cristof repariert hatte. Der Chronometer, der zusammen mit der Drahtfährengondel und ihren beiden Passagieren zerstört worden war.
    Diese Gedanken ließen Taya unruhig werden. Sie hielt es im Sessel nicht mehr aus, musste aufstehen, das Zimmer verlassen. Auch auf dem Flur hingen Bilder. Vor einem von ihnen, das zwei Ikarier im vollen Flug darstellte, blieb Taya stehen, um es sich genauer anzusehen. Sie musste an Alisters Späße über den Himmels-tanz ihrer Kaste denken – bei ihrem Abendessen hatte er getan, als hörte er zum ersten Mal davon. Aber Cristofs Version seiner Geschichte sowie dieses Bild hier zeigten, dass er gelogen hatte. Wer mochte ihn das Fliegen gelehrt haben? Irgendein junges Ikariermädchen, dem die Avancen eines gutaussehenden jungen Erhabenen zu Kopfe gestiegen waren? War er mit Maske vor dem Gesicht geflogen? Hatte er, hoch oben in der Luft und nur von Ikariern umgeben, gewagt, sie abzunehmen, in der Hoffnung, niemand am Boden würde aufsehen und die Wellen auf seinen Wangen erkennen?
    Langsam verblasste ihre Wut auf den Toten. Sie trat ein paar Schritte zurück, um sich die anderen Bilder anzusehen. Sie hätten ebensogut einem Fremden gehören können.
    „Ich kannte ihn gar nicht“, dachte sie resigniert. „Es tut mir leid, dass er tot ist. Aber wenn ich ihn näher kennengelernt hätte, wenn ich mitbekommen hätte, wie er in Wirklichkeit war – hätte ich ihn da überhaupt noch gernhaben können?“
    Wer vermochte das jetzt noch zu sagen?
    Nachdenklich drehte sie sich um und musste erschrocken feststellen, dass sie beobachtet wurde. Am Ende des Flurs war Cristof aufgetaucht, die blassen grauen Augen auf sie gerichtet. Er hatte seinen Mantel ausgezogen, der dunkle Anzug verschmolz mit den Schatten im Flur. Nur der weiße Kragen und die Manschetten stachen hervor.
    „Ich mochte nicht mehr im Wohnzimmer hocken.“
    „Du siehst

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