Das mechanische Herz
vor sich einen Stapel Unterlagen.
„Klar.“ Sie seufzte erneut. „Es tut mir leid, ich denke einfach laut. Wenn ich anfange, Euch auf den Geist zu gehen, dann müsst Ihr Bescheid sagen.“
„Von anfangen kann schon lange keine Rede mehr sein.“
Befriedigt ließ sie den Kopf sinken und lächelte die Zimmerdecke an. Solange er noch sarkastisch sein konnte, stand es wohl nicht allzu schlimm um ihn.
„Ich verhungere bald. Können wir nicht eine kleine Pause einlegen und etwas essen?“
„Ich habe vor, erst wieder nach dem Flug morgen etwas zu essen. Aber Lass dich von mir nicht aufhalten.“
„Aber Ihr müsst etwas essen!“, drängte sie alarmiert. „Ihr wollt doch wohl nicht, dass Euch da oben schlecht wird.“
„Es wird sich wohl kaum vermeiden lassen, dass mir dort oben schlecht wird. Mir wäre es allerdings lieber, wenn ich mich dann nicht auch noch übergeben müsste.“
„Ich pass auf Euch auf, das habe ich doch versprochen.“ Taya stützte sich auf die Ellbogen. „Kommt mit zum Abendessen. Selbst wenn Ihr keinen Hunger habt, besser, als ganz allein hier oben zu hocken, ist es allemal, und danach gehen wir zur Uni und fragen Kyle, ob er Alisters Kopie des mechanischen Herzens aus dem Haus mitgenommen hat.“
„Dann bist du jetzt wohl nicht nur meine Stimme, sondern auch gleich noch meine Beraterin?“ Cristof erhob sich – prompt tauchten an der gegenüberliegenden Zimmerwand dunkle, schmale Schatten auf.
„Klar doch!“ Sie streckte ihm die Hand hin. „Ich weiß ja nicht, wie ihr Erhabenen das handhabt, aber unter uns Ikariern gilt man als befreundet, wenn man zusammen gegessen, geweint und sich gestritten hat.“
Cristof wich zurück.
„Dann sollten wir wohl lieber kein Mahl miteinander teilen“, sagte er, indem er sich abwandte.
„Wie bitte?“ Taya war überrascht. „Was im Namen der Herrin soll das denn heißen? Kann ein Erhabener nicht mit einer Ikarierin befreundet sein?“
„Darum geht es überhaupt nicht.“
„Worum denn dann?“
„Ich bin nicht Alister.“ Cristofs Stimme klang kalt und leidenschaftslos. „Ich brauche keine Freundin, die mich nur deswegen toleriert, weil ich das letzte Bindeglied zu ihrem verstorbenen Liebhaber darstelle.“
Taya stand ganz langsam auf.
„So ist das bei mir? Das glaubt Ihr?“
„Das ist ja wohl kaum zu übersehen.“
„Da irrt Ihr Euch mächtig. Zum einen kann man Alister wohl kaum als meinen Liebhaber bezeichnen, wir haben einander ja noch nicht einmal geküsst, und außerdem seid Ihr wahrhaftig kein Bindeglied zu ihm! Alister mag mich belogen haben, aber unhöflich war er nie!“ Aufgebracht stürmte sie zur Tür, riss sie mit einem Ruck auf und floh aus dem Zimmer.
„Er hat mir erzählt, ihr zwei wärt ein Paar!“ Cristof kam ihr nachgerannt. Ohne ihn zu beachten, eilte sie die Treppe hinunter. Sie wollte jetzt nur noch ins Foyer zu ihren Flügeln.
„Ihn mögen? Ihn bedauern? Was im Namen der Herrin habe ich mir dabei gedacht!“ Völlig in Fahrt schnappte sie sich ihre Flügel. „Vergiss es!“ Sie hatte heldenhafte Anstrengungen unternommen, sich diplomatisch zu verhalten, mehr noch, freundlich zu sein, aber zur Masochistin wollte sie nun wirklich nicht mutieren!
„Ikarierin?“ Die Zofe tauchte auf und blieb zögernd in der Tür stehen. Taya ließ den Kiel vor ihrem Brustkorb einrasten, schloss die Verschlüsse an ihren Schultern.
„Sagt dem Erhabenen, wir sehen uns im Morgengrauen an den Landebahnen“, sagte sie kurz angebunden. Schon hörte sie Cristof die Stiege herunterkommen, riss ungeduldig an den Schulterschnallen, wollte nur noch weg.
„Was ist mit der Hochschule?“ Cristof stand vor ihr. „Ich dachte, wir wollten noch mit den Programmierern reden.“
„Redet allein mit ihnen.“ Die Verschlüsse saßen. Sie warf ihm einen abfälligen Blick zu. „Ihr braucht mich weder als Stimme noch als Beraterin und schon gar nicht als Freundin. Also kriegt Ihr von mir genau das, was Ihr haben wollt. Nichts.“
Cristof scheuchte die Zofe mit einer Handbewegung fort, woraufhin die Frau mit weit aufgerissenen Augen Reißaus nahm.
„Mir ist klargeworden, dass ich nicht alle Fakten kannte. Ich habe etwas Falsches gesagt.“
„Ja, dafür habt Ihr ein wahres Talent.“ Taya stieß die Tür auf. „Morgengrauen. Beim Tor zu den Landebahnen, und auch nur, weil ich es versprochen habe.“
„Taya, warte!“
„Vergesst es, Erhabener. Ihr seid nicht der einzige auf der Welt, dessen Stolz man verletzen
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