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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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lernte er schnell, wie die Flügel in die hohe, die geschlossene oder die Gleitposition zu bringen waren.
    „Man darf nicht zu stark mit den Flügeln schlagen – das ist ein Fehler, den die meisten Anfänger machen“, erklärte sie, während Cristof die Flügel ausbreitete, um Auf- und Abschwünge zu üben, bei denen sich die Federn abwechselnd öffneten und schlossen. Die Abwärtsbewegungen ließen ihn ein Stück abheben. Taya packte ihn am Kiel und zog ihn wieder zu sich herunter. „Vögel gleiten, so oft es geht. Das bedeutet weniger Kraftbeanspruchung, als mit den Flügeln zu schlagen. Ich möchte, dass Ihr die Flügel die meiste Zeit in der Gleitposition einrasten und Euch von mir führen lasst.“
    „Wie willst du das machen?“ Cristofs Herz klopfte schon wieder so heftig, dass Taya es durch das Geschirr hindurch spürte.
    „Ich sichere Euch durch eine Leine, mit der wir verbunden sein werden. Vergesst Ihr auch das Luftholen nicht?“
    Gehorsam atmete Cristof tief durch, die Augen, riesig hinter den Brillengläsern, fest auf Tayas Gesicht geheftet.
    „Oben lauern nur zwei Gefahren“, erklärte die Ikarierin. „Schlimm wäre es, wenn Ihr in Panik geratet und sich Eure Flügel mit meinen verhaken. Wenn das passiert, schmieren wir ab und stürzen. Das wollen wir auf keinen Fall.“
    „Ich gerate nie in Panik.“ Cristofs Kupferhaut glich inzwischen eher einer Kreidezeichnung.
    „Dann bin ich ja beruhigt. Weiterhin besteht die Gefahr, dass uns der Wind aus dem Gleichgewicht bringt und ich das Seil mit Euch daran loshaken muss, bis ich wieder alles im Griff habe. Ihr seid so leicht, dass Ihr Euch über einen Absturz keine Sorgen zu machen braucht. Selbst mit angelegten Flügeln – wenn Ihr Eure Flügel in der Sturzflugposition eingehakt habt und sie nicht aufbekommt – würdet Ihr doch nur langsam nach unten schweben. Lasst Euch einfach vom Wind treiben und haltet nach Möglichkeit die Flügel so weit ausgebreitet, wie es geht. Ich komme Euch holen. Ihr braucht nur ruhig zu bleiben und dafür zu sorgen, dass ich Euch sehe. Ich finde Euch auf jeden Fall, selbst wenn Ihr bis zum nächsten Gebirge treibt. Gut? Also nicht in Panik geraten.“
    Cristof nickte langsam, schluckte vernehmlich.
    „He!“
    Erschrocken verrenkte Taya den Kopf und musste mit ansehen, wie die Tür zum Verteilerbüro aufging. Paolo hatte sie entdeckt.
    Sie wandte sich wieder Cristof zu und drückte ihm eine Fliegerhaube in die Hand.
    „Der Unterricht ist vorbei. Wir müssen los.“
    „Warte! Ich weiß noch gar nicht, was ich tun soll!“ Cristof setzte sich die Fliegerhaube auf.
    „Keine Zeit. Schließt den Verschluss da unter dem Kinn. Paolo kommt.“ Taya schob ihren Schüler bis zum Rand der Landebahn, während der sich noch mit bebenden Händen die Schutzbrille über seinem Brillengestell zurechtrückte. „Steht doch still!“
    „Oh, Herrin!“, stöhnte er, als er in den Abgrund blickte.
    „Augen nach vorn. Dreimal tief Luft holen!“ Taya stellte sich hinter ihn und zog ihre Sicherheitsleine heraus, eine sechs Meter lange, eng zusammengerollte Seidenschnur mit Metallkern und Karabinerhaken an beiden Enden. So eine Leine hatte Pyke ihr auch beim Drahtseilunglück zugeworfen. Sie verband ihr Geschirr mit dem Cristofs und zog sich die Schutzbrille über die Augen.
    „He, Ikarierin, du hast dir diesen Flug nicht genehmigen lassen!“
    Taya warf einen Blick über ihre Schulter. Man hatte Paolo vor Jahren wegen eines kaputten Beines vom aktiven Flugdienst zum Bodenpersonal versetzt. Schwer auf seinen Gehstock gestützt humpelte er auf sie zu. Noch blieb ausreichend Zeit. Sie riss an der Leine, schmiegte sich an Cristofs Rücken. Herrin, war der Mann groß! Ihr Gesicht befand sich auf Höhe seiner Schulterknochen.
    „Ist das ...“
    „Lasst Eure Flügel in der aufrechten Position einhaken“, befahl sie, indem sie die eigenen Flügel weit ausbreitete. Gehorsam faltete er die Flügel, die metallenen Schwungfedern strichen an ihren Beinen entlang. „Geht mit mir bis zur Kante.“
    „Wie genau geht das mit dem Losfliegen?“, fragte Cristof mit heiserer Stimme.
    „Wir springen.“
    „Kannst du nicht vorn sein?“
    „Geht!“ Sie trat einen Schritt vor, stemmte die Knie gegen seine Beine, bis Cristof gar nicht anders konnte, als ebenfalls einen Schritt, dann zwei vorzutreten.
    „Wir sind an der Kante!“
    „Halt!“
    Inzwischen schwankten sie gefährlich unmittelbar an der Kante der Landebahn. Hinter ihnen wurde Paolo

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