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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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und überprüfte den Sitz seiner Gurte. Sie führte ihn vor die Tür, die sie sorgfältig hinter sich verschloss.
    „Paolo hat Wachdienst, aber der schlummert normalerweise gegen Morgengrauen ein bisschen ein“, sagte sie. „Wir sollten uns aber dennoch beeilen.“ Der Himmel war jetzt heller, auch wenn sich die Sonne noch nicht gezeigt hatte, sondern hinter den Gipfeln wartete. Die Luft war klar und kalt. Taya führte Cristof zu den Landebahnen, die über die Stadt ragten. Inzwischen fingen die Spitzen der umgebenden Gipfel an zu glühen, der Sonnenaufgang stand unmittelbar bevor. Unter den beiden, noch im Schatten, erstreckte sich die Stadt Ondinium mit ihren Wohnblocks, den engen Straßen, den Fabriken und Schmelzöfen.
    Cristof sah hinunter und zuckte zusammen.
    „Oh, Herrin!“ Angestrengt hielt er den Blick auf die Lederhandschuhe gerichtet, mit denen er sich gerade abmühte.
    „Macht Euch keine Sorgen, es wird schon alles gutgehen.“ Taya hakte den schwebenden Drahtkorb an einem Ring fest, der im Boden eingelassen war, und half Cristof, die Flügel an seinem Geschirr festzuschnallen. „Legt den Kiel vor den Brustkorb, lasst ihn einrasten und zieht die Riemen durch die Ösen.“
    „Wie soll das Ganze jetzt eigentlich vonstatten gehen?“, erkundigte er sich mit halberstickter Stimme.
    „Ich schiebe Euch Ondiumbarren in die Ausrüstung. So viele, dass Ihr auf jeden Fall ganz langsam zu Boden geht und sicher aufkommt, auch wenn Ihr die Kontrolle verliert und abschmiert.“ Taya zog ihm die Polsterung an den Schultern und am Brustkorb zurecht. Cristofs Herz raste so, dass sie es durch ihre Handschuhe hindurch spürte. „Luftholen, Erhabener! Vergesst das Atmen nicht.“
    Gehorsam nickte er und holte Luft, woraufhin sie ihm aufmunternd zugrinste, mit einer fürsorglichen Geste sein Haar zerzauste und an ein paar Strähnchen zupfte.
    „Wer schneidet das eigentlich?“
    „Ich.“ Ärgerlich schob er ihre Hand beiseite.
    „Das erklärt einiges.“ Taya trat zurück und öffnete eine kleine Klappe am Boden des Drahtkorbs. „Ihr seid ein grauenhafter Friseur.“
    „Habe ich dich nicht noch vor ein paar Stunden in einem rotem Flanellnachthemd und löchrigen Hausschuhen herumlaufen sehen? Halte dich lieber zurück, was modische Ratschläge betrifft“, gab er zurück, wobei seine Stimme bereits wieder fester klang.
    Taya entnahm dem Korb ein Fünf-Pfund-Ausgleichsgewicht. Sie durfte zufrieden mit sich sein: Ihr Ablenkungsmanöver war erfolgreich gewesen.
    „Ich mag die Pantoffeln. Sie sind gut eingelaufen.“ Sie ließ den schwebenden Ondiumbarren in eine Tasche an Cristofs Koppel gleiten und sicherte ihn, indem sie die Tasche zuknöpfte. „Außerdem sieht sie ja außer mir niemand.“
    „Niemand?“
    Sie nahm ein weiteres Fünf-Pfund-Gewicht aus dem Korb. „Na ja, meine besten Freunde.“
    „Dann ist es also eine Auszeichnung und keine Strafe, wenn man sie sehen darf?“
    „Passt bloß auf, Uhrmacher!“ Sie schob ihm das nächste Ausgleichsgewicht ins Koppel. „Wie fühlt Ihr Euch?“
    „Leicht.“ Er trat einen Schritt zurück, dann wieder vor. „Seltsam!“
    „Normalerweise fliegen wir nicht mit so vielen Ausgleichsgewichten, weil uns das zu leicht macht und man dann nicht so gut mit dem Wind fertig wird. Aber da ich heute einen Gutteil des Fliegens übernehme, auch was Euch betrifft, will ich, dass Ihr Euch möglichst einfach herummanövrieren lasst.“ Noch zwei Gewichte kamen ins Koppel. „Na? Schwebt Ihr mir gleich davon?“
    „Fast.“ Argwöhnisch beäugte er den Klippenrand, um dann lieber vorsorglich noch einen Schritt zurückzutreten. „Was geschieht, wenn ich zu leicht werde?“
    „Rein theoretisch schwebt Ihr dann immer höher, bis Ihr gegen den Mond stoßt. Praktisch nehmt Ihr eins der Gewichte aus dem Koppel und lasst es in der Luft frei.“ Sie warf ihm einen strengen Blick zu. „Dann müsst Ihr ganz tief in die Geldbörse greifen, denn jedes dieser Gewichte ist mehr wert, als ich in einem Jahr verdiene, und ich muss sie ersetzen.“
    „Ich könnte die Ausgabe verkraften, solange du zusiehst, dass ich am Leben bleibe“, versprach der Erhabene.
    „Abgemacht. Zeit zum Üben.“ Taya ließ die eigenen Flügel über dem Kopf einrasten und stellte sich vor Cristof, um ihm zu zeigen, wie er die Arme in die Gurte und Halterung zu schieben hatte. Der Mechanismus, mit dem man die einzelnen Gelenke feststellte beziehungsweise ausrasten ließ, bereiteten ihm keine Probleme, und so

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