Das mechanische Herz
Werkzeugbeutel in der Hand.
„Cris!“ Eilig legte Taya die Tageszeitung auf den Tisch – wohlweislich so, dass man den Artikel über die Familie Forlore nicht sah – und griff nach ihren Krücken.
„Warte! Steh nicht auf!“ Cristof machte Anstalten, zu ihr herüberzukommen.
„Jetzt denkt bloß nicht, Ihr könntet hier den ganzen Tag rumsitzen und quasseln!“ In der Tür war nun auch Gwen aufgetaucht, das Kinn aggressiv vorgeschoben. „Ich bezahle Euch dafür, meinen Chronometer zu reparieren und nicht, damit Ihr meinen Mietern auf den Geist geht.“
„Wenn du mich eine Weile in Ruhe lässt, brauchst du mir gar nichts zu bezahlen“, knurrte Cristof.
„Pah!“ Gwen sah Taya fragend an. Als diese nickte, meinte sie kopfschüttelnd: „Na gut. Ihr bleibt mir aber hübsch hier unten, Uhrmacher! Fremde haben in den Privaträumen nichts zu suchen, das gestatte ich meinen Mietern nicht. Ich führe eine Pension, kein Bordell.“
„Lass die albernen Sprüche!“ Mit einem verdrießlichen Schnauben Richtung Wirtin trat Cristof an Tayas Tisch. Taya grinste. „Was findest du denn so witzig?“, wollte er wissen.
„Seid Ihr wirklich hier, um den Chronometer zu reparieren?“
„Der Reparaturauftrag deiner Wirtin befand sich gestern nacht in meiner Post.“ Cristof legte den Beutel ab. „Wie geht es dir?“
„In Verbandsmull gewickelt und zum Leben am Boden verurteilt. Der Arzt hat mir diese jämmerlichen Krücken und Schmerzmittel gegeben und mir geraten, ein bis zwei Monate lang keine Bruchlandung mehr zu bauen.“
„Aber du wirst wieder vollständig gesund?“
„Amputieren müssen sie wohl nicht, haben sie gesagt.“
„Das ist schön. Darf ich mich setzen?“
„Natürlich! Ich hatte gestern schon auf Euch gehofft und mir Sorgen gemacht, als Ihr nicht kamt.“
Cristof zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und musterte Taya mit eindringlichem Blick, den sie ebenso eindringlich erwiderte. Jeder suchte im Gesicht des anderen nach irgendeiner Botschaft.
Die Brille, durch die er die im Turm verlorengegangene ersetzt hatte, war, wollte man nach ihren arg strapazierten Bügeln gehen, wohl schon ein wenig älter. Aus der Schnittwunde auf Cristofs Wange war ein dünner, tiefroter Strich geworden, auf dem sich bereits Schorf gebildet hatte. Abgesehen von diesen beiden Details zeigte sich der Erhabene wenig verändert: der lange, hagere Körper steckte wie immer in seinem schwarzen Krähenanzug, das kurze, zottelige Haar stand ihm nach dem langen Spaziergang hoch zum Horst in Büscheln zu Berge.
„Sie haben mich bis weit nach Mitternacht dabehalten und befragt“, brach Cristof endlich das Schweigen. „Alister sitzt in Haft. Er hat stundenlang nichts gesagt, dann aber angefangen, ein vollständiges Geständnis abzulegen.“
„Einiges davon konnte ich bereits in der Tageszeitung lesen.“
„Er hat gestanden, Pins und Caster ermordet zu haben. Er nimmt auch die Schuld am Tod der beiden Liktoren auf seine Kappe. Er sagt, sie hätten uns nicht angegriffen, wenn er sie nicht in die Irre geführt hätte.“ Cristofs Falten wurden tiefer. „Man wird den Tod der beiden genauer untersuchen.“
Taya sah ihn an und erkannte in seinen Augen die gleichen Schuldgefühle, die auch sie plagten. Wenn das auch nicht gerade beruhigend war, half es ihr doch, zu wissen, dass sie nicht alleine war.
„Was ist mit Vieras Drahtfähre? War er das auch?“
„Nein. Er sagte, das sei eine zufällige Koinzidenz gewesen. Ich muss ihm glauben. Es gibt nicht einen einzigen Grund, warum Alister mit den Zerrissenen Karten zusammenarbeiten sollte.“
„Seid Ihr denn sicher, dass Vieras Absturz Sache der Karten war?“
„Immerhin haben sie in der Nähe des zerstörten Trägers ihre Visitenkarte hinterlassen: die zerfetzte kupferne Lochkarte.“
„Was ist mit der Bombe in jener Nacht? Das Feuer in der Raffinerie?“
„Auch damit hat Alister nichts zu tun. Behauptet er.“ Cristof seufzte. „Ich mag solche Zufälle nicht. Aber auch das mit dem Feuer in der Raffinerie könnten durchaus die Zerrissenen Karten gewesen sein. Zwar haben wir bei unserer ersten Suche keine zerfetzte Karte gefunden, aber vielleicht taucht sie bei den Renovierungsarbeiten auf.“
„Ich bin froh, dass Alister nicht versucht hat, Viera umzubringen. Das ist doch wenigstens etwas.“
„Hmm.“ Cristof presste die Lippen zusammen.
Taya nahm seine Hand. „Kommt Ihr einigermaßen klar?“
Er schloss einen Moment lang die Augen.
„Sie werden
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