Das mechanische Herz
üblich war. „Aber wie kommen wir da hinauf?“
„Ihr müsst bis zur nächsten Kreuzung zurückgehen und bei der Klappenstraße rechts abbiegen. Dann gleich wieder rechts, in die Alumina. Die geht ihr durch bis zur Kistenstraße, da sind Stufen, die zur Brücke führen. Ihr könnt euch an den Hinweisschildern für die Weißschmiedebrücke orientieren.“
„Aber wir waren in der Kistenstraße und haben dort keine Treppe gesehen.“ Der Alzaner bediente sich weiterhin seiner eigenen Sprache und kam immer näher. Taya legte die Hand an das Messer, das an ihrem Brustgeschirr hing.
„Bitte, ihr Herren, kommt nicht näher“, befahl sie, ebenfalls auf Alzanisch.
Die Männer blieben stehen.
„Du brauchst doch keine Angst vor uns zu haben.“ Der kräftige Fremde in der hellen Weste wirkte verletzt. „Wir haben dich nur nach dem Weg gefragt.“
„Zurück zur nächsten Kreuzung und dann zweimal rechts.“ Tayas Herz raste. Eventuell war dies ein Test, genausogut mochte es aber auch das Vorgeplänkel zu einem Raubüberfall sein. Immerhin befand sie sich in Tertius, hier wurden ständig Leute überfallen. „Bitte geht jetzt.“
„Darf ich deine Flügel anfassen, damit sie mir Glück bringen?“ Der Alzaner trat noch einen Schritt vor, Taya wich zurück, die Hand fest um den Messergriff geschlossen.
„Es tut mir leid, aber ...“
Da hörte sie über sich ein Geräusch: Metall, das über Stein schleift. Instinktiv warf sie sich nach vorn, aber zu spät. Schwere Metallseile verfingen sich in ihren Flügeln, zerrten an ihren Federn. Taya taumelte und verlor einen Augenblick lang das Gleichgewicht. Als sie aufsah, entdeckte sie über sich auf der Brücke einen zweiten Alzaner, der sich über das Brückengeländer beugte und ihr höhnisch zuwinkte.
Ein Netz! Leise fluchend musste Taya erleben, wie die Seile sich um ihre Flügel schlangen, wie das Metallnetz drohte, sie auf den Rücken zu werfen.
Kein Test!
Mit einem Satz sprangen die beiden Männer auf der Straße vor. Taya riss mit der linken Hand an den Schnallen ihres Geschirrs und schlug mit der anderen, die das Messer hielt, wild um sich.
„Hilfe!“ Während sie schrie, spürte sie, wie die erste Schnalle unter ihren Fingern nachgab, tastete gleich nach der nächsten. Der Demikaner, dessen Gesicht eine harte, undurchdringliche Maske war, zog hinten aus seinem Gürtel ein Messer.
Die beiden wollten sie töten.
„Hilfe! Wachen!“
Der Alzaner, allem Anschein nach ein geschulter Messerkämpfer, warf sich auf sie. Eine dünne, scharfe Messerklinge tauchte zwischen seinen Fingern auf und fuhr über Tayas Geschirr, versetzte ihr einen Schnitt quer über die Fingerrücken. Taya wehrte sich, stach nach dem Mann. Tänzelnd wich er zurück, Blut tropfte aus einem kleinen Schmiss auf seinem bloßen Oberarm.
Die zweite Schnalle gab nach. Tayas Fittiche rutschten zur Seite, hingen schief an ihren Schultern. Jetzt galt es nur noch, den Verschluss an der Taille zu lösen, aber Tayas Finger, blutig, nass und glitschig, rutschten immer wieder ab. Nur wenn es ihr gelang, aus dem Harnisch zu schlüpfen, konnte sie sich anständig wehren. So, wie es jetzt war, behinderten sie die Flügel, die ihr wie ein totes Gewicht schief auf dem Rücken hingen.
„Wachen!“, schrie sie zornig. „Verdammt noch mal, holt vielleicht jemand mal Hilfe?“
Der Demikaner schubste seinen Partner grob beiseite, schob sich bedrohlich still immer näher an sie heran. Verzweifelt rang Taya mit dem Verschluss. Demikaner waren Krieger und Jäger, abgehärtet durch das Nomadenleben fernab der Zivilisation. Dieser hier war noch dazu gut einen halben Meter größer und breiter als sie.
„Was ist hier los!“, bellte eine barsche, befehlsgewohnte Stimme.
Die beiden Männer sahen sich um – und Taya ließ Verschluss Verschluss sein und nutzte die Gelegenheit zum Gegenangriff. Mit einem Satz versenkte sie ihr Messer durch das wollene Hemd des Demikaners hindurch in der Brust des Mannes.
Mit einem lauten Wutschrei packte er sie und schleuderte sie mit einem Ruck zur Seite. Das Netz schlang sich um Tayas Füße. Sie landete mit ausgebreiteten Armen auf dem Boden, wobei ihr das Messer aus der Hand glitt. Hastig fuhr sie mit den Händen an ihre Taille, zerrte erneut an der Schnalle und warf sich zur Seite, als das Messer des Kriegers auf sie herabfuhr. Geschafft! Die Schnalle ging auf. Wohl erwischte sie die gegnerische Messerspitze an der Schulter, aber es gelang ihr, wegzurollen und sich
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