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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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winzige Werkstatt sein eigen, die im Keller eines größeren Hauses untergebracht war, das viele kleinere Handwerksbetriebe beheimatete. Drei Treppenstufen führten von der Straße hinunter zur Ladentür, die er mit zwei Schlüsseln aufschloss.
    „Sei vorsichtig, wohin du trittst!“, warnte er sie vor dem Eintreten. Taya folgte ihm, wobei sie ihr schwebendes Bündel hinter sich herzog.
    In dieser Werkstatt fielen als erstes die Geräusche auf, ein stetes, lautes Ticken, Sirren und Klicken, das aus allen Richtungen zugleich zu kommen schien.
    Cristof zückte eine Schachtel Streichhölzer und zündete eine Lampe an, die er so hoch es ging aufdrehte, ehe er sie an einen niedrigen Deckenbalken hängte. Staunend nahm Taya den Raum in Augenschein, in dem sie gelandet war.
    Im Laden des Erhabenen drängten sich Taschenuhren und Standuhren, Pumpen und aufziehbares Spielzeug, jedes nur denkbare mechanische Instrument, das ein Uhrwerk vorweisen konnte, und das meiste davon war in Bewegung. Zeiger drehten sich, Pendel schwangen, Zahnräder rotierten.
    „Was Ihr alles habt!“ Tayas Ärger war wie weggeblasen, sie staunte nur noch. Ihr Bündel fest umklammert, sah sie sich mit großen Augen um: Metall und Email funkelten im Lampenlicht wie bewegliche Juwelen. Cristof hatte an seinen Wänden und auf den Regalen ein kleines Vermögen hängen und stehen. „Habt Ihr dies alles selbst erschaffen?“
    „Nicht alles.“ Cristof war nach kurzem Zögern an einen Tisch getreten. Das Lampenlicht wurde von seinen hohen Wangenknochen reflektiert, ließ sein Gesicht dadurch noch knochiger erscheinen und brachte die eintätowierten Wellen seines Kastenzeichens, die fast lebendig wirkten, noch deutlicher zur Geltung. „Leg das Netz auf den Tisch und sorg dafür, dass die Flügel nicht zu weit hochschweben.“
    Jetzt erst erinnerte sich Taya wieder, warum sie eigentlich mitgekommen war. Rasch band sie zwei Netzenden an den Tischbeinen fest und ließ den Rest ihres Bündels über der Tischplatte schweben. Cristof verschwand hinter einem Vorhang, um mit zwei Messern wiederzukommen, von denen er ihr eines reichte. Seine Finger, stellte sie fest, waren fast schwarz. Dreck oder Maschinenöl – ein weiterer Hinweis auf seinen Status als Verstoßener. Erhabene achteten eigentlich sehr genau auf ihre Erscheinung.
    „Am schnellsten werden wir fertig, wenn wir die Seile zerschneiden“, sagte der Uhrmacher. „Dann verbiegen wir auch keine Federn.“
    „Wenn diese Schweinehunde meine Flügel kaputtgemacht haben, bringe ich sie um.“ Taya packte eines der Messer und hieb auf die Seile ein, als hätte sie statt derer die beiden Schurken vor sich, die sie überfallen hatten.
    „Gut möglich, dass es dir bei einem schon gelungen ist. Der Mann, den du mit dem Messer erwischt hast, schien eine Menge Blut zu verlieren.“
    Taya hackte eines der Seile entzwei und machte sich gleich über das nächste her, ehe sie das Messer einen Moment lang aus der Hand legte, um dem Blut zuzusehen, das aus der Schnittwunde auf ihren Knöcheln quoll.
    War es möglich, dass sie ein Menschenleben auf dem Gewissen hatte?
    Nein! Wenn der Demikaner sich in ein Krankenhaus begab, würde man ihn dort schon wieder gesundpflegen.
    Natürlich war er Ausländer, besaß wahrscheinlich noch nicht einmal eine Einwohnerlizenz. Kein Arzt war verpflichtet, Kranke zu behandeln, die in Ondinium keine Steuern bezahlten, und bestimmt würde jeder ehrbare Doktor dem Demikaner Fragen über den Ursprung seiner Wunden stellen, die der Mann nicht beantworten mochte.
    Aber was ging sie das an? Der Kerl hatte schließlich versucht, sie umzubringen.
    „Schrott“, murmelte sie leise, aber wütend.
    Cristof, der sich ihr gegenüber auf der anderen Tischseite ebenfalls eifrig betätigte, sah fragend auf.
    „Schrott?“
    „Wieso habe ich den Mann eventuell auf dem Gewissen? Was ist mit Euch? Ihr habt auf ihn geschossen. Wenn der Bursche stirbt, dann wahrscheinlich deswegen.“
    „Möglicherweise.“ Der Erhabene musterte sie freundlich. „Obwohl diese Dorne nicht tödlich sind, wenn man einen Schuss aus einer gewissen Entfernung abgibt. Sie dienen eher der Abschreckung.“
    „Aha. Dann ist es also auf jeden Fall meine Schuld, wenn er stirbt?“ Taya fand die Vorstellung betrüblich. Schadete es den Aussichten auf die Aufnahme ins diplomatische Korps, wenn man einen Ausländer tötete? Oder auch nur verletzte?
    „Wenn er stirbt, trägt er allein die Schuld daran. Er ging auf Ikarusjagd, du

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