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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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kann, sollte ich wohl lieber sagen!“
    Aber wie es sich herausstellte, stritten sie sich nicht mehr. Taya musste sich anstrengen, um mit Cristofs langen Beinen Schritt zu halten, entdeckte dafür jedoch, wie vorteilhaft es war, in Begleitung eines Erhabenen unterwegs zu sein. Die Liktoren warfen nur einen Blick auf Cristofs Kastenzeichen und winkten ihn sowie seine Begleiterin an allen Wartenden vorbei durch das Sektorentor.
    „Vielleicht sollte ich mir auch eine Welle auf die Wangen malen“, bemerkte Taya trocken, als sie von der Brücke der Feinschmiede in den Sektor Sekundus traten.
    „Sie kennen mich.“ Cristofs Ton ließ keine Gefühle erahnen. „Ich bin der einzige Erhabene, der in Tertius lebt.“
    „Das sollte ein Witz sein! Ich sehe ja noch nicht mal aus wie jemand aus Ondinium.“ Ganz zu schweigen davon, dass es ein schweres Verbrechen war, ein Kastenzeichen zu fälschen.
    Er musterte sie nachdenklich von der Seite. „Aber du bist hier geboren? Von einer eingebürgerten Ikarierin habe ich noch nie gehört.“
    „Zweite Generation. Die Großeltern meines Vaters zogen hierher und wurden eingebürgert, als sie etwa zwanzig Jahre alt waren. Meine Mutter war reinrassige Ondinianerin. Wie lange lebt Eure Familie schon in der Stadt?“
    „Die Aufzeichnungen des Hauses Forlore reichen siebzig Generationen zurück. Alle früheren Folianten gingen im letzten Krieg verloren.“
    „Ist Euer Bruder der Älteste in der Familie?“
    „Nein. Ich.“
    „Ach.“ Aus irgendeinem Grunde überraschte sie das. „Steht Ihr Euch nahe, Euer Bruder und Ihr?“
    „Ich glaube schon.“ Cristof zuckte die Achseln. „Ich bin Rebell, er ist Dekatur. Wir stehen einander so nahe, wie es unter diesen Umständen möglich ist. Ich freue mich über seine Erfolge, und er tut sein Bestes, mir meine Verfehlungen nicht übelzunehmen.“
    „Er empfiehlt Euch anderen Erhabenen, habt Ihr erzählt. Das klingt mir nicht gerade nach Übelnehmen.“
    „Alister ist viel zu taktvoll. Eigentlich dürfte er nichts mit mir zu tun haben, ich ruiniere ihm jegliche Chance, je den Ratsvorsitz zu übernehmen. Sie hätten ihn auch nie zum Dekatur ernannt, wäre er nicht ein so brillanter Programmierer. Nicht mit mir in der Familie.“
    „Ich dachte, politische Ämter würden auf der Grundlage von Verdiensten vergeben, nicht nach Familienzugehörigkeit.“
    „Das ist die Theorie. In der Praxis spielt die Variable Familie eine große Rolle in dieser Gleichung.“ Cristof starrte angespannt geradeaus. „Ich versuche zu vermeiden, dass mein Bruder mich allzu peinlich finden muss.“
    Taya wurde still. Schweigend gingen die beiden über die Märkte, an der Hochschule vorbei und stiegen immer weiter hinauf, bis sie den höchsten Punkt Secundus ’ erreicht hatten. Von hier aus führte die Klippenstraße in den Stadtteil der Ikarier und von dort aus weiter zu den Übungsfeldern und Landebahnen. Ein steiler, anstrengender Aufstieg, bei dem Taya ihre Flügel schmerzlich vermisste. „Das ist mein erster Besuch hier oben“, sagte Cristof nach langem Schweigen, als sie wieder einmal anhielten, um Luft zu holen. Er sah sich die hohen Gebäude an, die rechts und links die schmale Straße säumten. „Bisher gab es nie einen Grund, hier hochzukommen. Wer repariert denn bei euch die Chronometer?“
    „Ich weiß nicht.“ Taya zuckte die Achseln. „Die öffentlichen Chronometer lässt die Stadt warten, nehme ich mal an. Mir ist noch kein Ikarier begegnet, der einen eigenen Chronometer besitzt, also wüsste ich nicht, wen man fragen könnte.“
    „Dann werde ich im Horst meine Visitenkarte hinterlassen.“ Taya warf ihrem Begleiter einen Seitenblick zu – hatte er die Bemerkung humorvoll gemeint? Schwer zu sagen. Aber sie wollte gern glauben, dass er sich um einen Scherz bemühte, dass er versuchte, mit ihr auszukommen. Aber ... nein, es ließ sich einfach nicht sagen.
    Schweigsam setzten sie den Aufstieg fort. Cristof knöpfte den Mantel auf und ließ ihn sich um die langen Beine flattern. Die Luft war kühl, aber die Nachmittagssonne stand hoch über der Klippenstraße und brachte beide zum Schwitzen.
    In dem Stadtteil hier oben lebten überwiegend Ikarier und deren Familien, außerdem siedelten sich hier Betriebe an, die herstellten, was ein Ikarier für seine Arbeit brauchte. Die Luft war sauber, es gab in der Nähe keine Fabrik, die Ruß ausgestoßen hätte, und der Rauch der Kohlefeuer und die Holzasche verwehte der scharfe Wind, der um die steile

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