Das mechanische Herz
verfügte.
„Oh, Herrin!“ Plötzlich sah Taya die ganze Angelegenheit in einem ganz neuen Licht. „Musstest du das jetzt sagen?“
„Eine schöne Diplomatin gibst du gerade ab, meine Liebe! Fang endlich an, wie eine Politikerin zu denken. Hier bietet sich dir dieGelegenheit, deine Wünsche voranzubringen. Es ist keine Schande, das Beste daraus zu machen. Du hast die Frau nicht aus egoistischen Motiven gerettet und den Dekatur nicht gebeten, dich zum Dinner einzuladen. Aber wenn er es schon tut, dann ist es deine Pflicht, dieses Geschenk der Herrin anzunehmen und guten Gebrauch davon zu machen.“
Taya verzog das Gesicht. Sie hatte sich nicht für den diplomatischen Dienst beworben, um sich in politische Machenschaften verstricken zu lassen. Politik interessierte sie nicht, deswegen hatte sie sich ja mit Pyke so gelangweilt. Sie wollte Diplomatin werden, weil sie gern mit Fremdlingen zu tun hatte, weil sie deren Kultur näher kennenlernen und eines Tages vielleicht sogar deren Länder bereisen wollte. Das Ungewöhnliche, Exotische reizte sie an der diplomatischen Arbeit, nicht die Politik oder irgendwelche Machtspielchen.
„Das kommt mir so ... berechnend vor.“
„Ob es berechnend ist oder nicht hängt ganz von dir ab. Ich sage ja nicht, du sollst die Einladung annehmen, um mit dem Mann ins Bett zu steigen und ihn hinterher um irgendwelche Gefallen zu bitten. Geh hin und sieh zu, dass du ihn mit deinem Verstand und deinen guten Manieren beeindruckst.“
„Ja ...“ Taya holte tief Luft. Das war ein guter Rat! „Danke, Gwen.“
Die Hausdame grinste, zufrieden mit sich.
„Ein Dekatur – was hast du für ein Glück! Wer weiß? Das könnte der entscheidende Wendepunkt in deinem Leben sein.“
***
Cassi fand nicht, dass ein Fliegeranzug die passende Bekleidung für eine Abendeinladung darstellte, musste aber nach hastiger Durchsicht der Kleiderschränke sämtlicher weiblicher Ikarier im Horst, die ungefähr Tayas Größe und Statur hatten, zugeben, dass ihre Freundin auf die Schnelle nichts Besseres würde auftreiben können.
„Aber wenn dein neues Leben so weitergeht“, warnte sie Taya, „dann müssen wir dir schleunigst eine anständige Garderobe beschaffen.“
„Ich wäre total zufrieden damit, den Rest meines Lebens in diesem Anzug zu verbringen“, gestand Taya, die sich zufrieden in Cassis großem Spiegel betrachtete. Sie hatte sich die Kluft aus den Umkleideräumen bei den Landeplätzen geholt und geschlagene zwei Stunden damit zugebracht, gerissene Riemen und Schnallen zu ersetzen und das gut eingetragene Leder so lange zu polieren, bis es in einem sanften Glanz erstrahlte. „Er ist bequem, praktisch und warm.“
„Mit praktisch, bequem und warm fängst du dir nie einen Mann“, bemerkte Cassi trocken. „Für diese Montur spricht nur eins: Sie sitzt hübsch eng.“
„Was soll daran denn gut sein?“ Seufzend betrachtete Taya ihren Busen, der durch den perfekten Sitz des Fliegeranzugs plattgedrückt wurde und somit noch kleiner wirkte als sonst. „Ich sehe aus wie ein Junge, genau wie dein Neffe gesagt hat.“
„Wir könnten dich ein bisschen ausstopfen, aber dein Dekatur wundert sich vielleicht, wenn dir über Nacht Brüste gewachsen sind.“
Taya grinste. „Das Treffen ist rein beruflich. Ich habe nicht vor, den Mann zu verführen.“
„Dann ist es ja gut, dass du das Teil da anhast!“
Punkt acht hockte Taya auf den Verandastufen, die Hände in warmen Handschuhen, den Kragen ihres Anzugs hochgeschlagen. Cassis Jagd nach passender Abendgarderobe hatte dafür gesorgt, dass der ganze Horst von ihrer Verabredung wusste, und die anderen Ikarier hatten angefangen, ihr skandalöse Ratschläge zu erteilen. Anscheinend wusste außer ihr hier jeder, was Erhabene von einem wollten und was sie gern hatten. Dass ihr Tischherr der Cousin der Frau sein würde, die Taya gerettet hatte, schien keine Rolle zu spielen. Taya hatte sich schließlich nicht anders zu helfen gewusst, als sich den Frotzeleien durch Flucht in die Kälte zu entziehen.
Endlich hörte sie einen der kleinen Einspänner der Stadt die Straße herunter auf sich zurattern. Sie stand auf und winkte dem Kutscher aus der Kaste der Famulaten zu, der ihren Gruß erwiderte und die Kutsche vor der Veranda halten ließ.
„Taya Ikara?“, erkundigte er sich höflich.
„Die bin ich.“ Sie sah dem Mann zu, wie er die Zügel um einen Verandapfosten wand, ehe er vom Bock sprang, um ihr die Kutschentür aufzuhalten. „Wohin
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