Das mechanische Herz
einem buschigen schwarzen Bart und einem Schnurrbart dazu, was ihn insgesamt wirklich ein wenig finster aussehen ließ. „Deswegen lassen wir es heute nacht hier laufen“, erklärte er.
Taya war nicht entgangen, dass Victor es offenbar gewohnt war, Alister beim Vornamen zu nennen. Höchstwahrscheinlich war es dem Erhabenen unmöglich gewesen, mit der Gruppe zusammenzuarbeiten und dabei Maske und Roben zu tragen. Das hieß, dass er ihnen vertraut hatte, so sehr, dass sie ihn mit nacktem Gesicht sehen und mit seinem Vornamen ansprechen durften.
Gut – das machte die Sache einfacher.
„Wir tun es zum Andenken an ihn. Für den Fall, dass der Rat das Programm ablehnt.“ Isobel hatte sich wieder der Maschine zugewandt. Sie hielt immer noch die Schachtel mit Lochkarten in der Hand. Blond und groß wie sie war, musste sie demikanischer Abstammung sein, allerdings in der Stadt geboren, sonst hätte sie nicht das Kastenzeichen der Geweihten tragen können.
„Geht es um das Beziehungsprogramm?“, fragte Taya. „Lasst ihr spezielle Namen durchlaufen?“
„Unsere.“ Isobel grinste sie von der Seite her an. „Wir wollten mal sehen, ob wir untereinander, romantisch betrachtet, kompatibel sind, und wenn, wer mit wem.“
„Was plant ihr, wenn das Programm eine solche Übereinstimmung feststellt?“
„Dann muss das entsprechende Paar einen Abend zusammen ausgehen, und anschließend überprüfen wir anhand des Erfolgs die Validität unseres Programms“, antwortete der Mann, der als Lars vorgestellt worden war. „Darf ich Euch etwas zu trinken anbieten, Ikarierin? Erhabener?“ Er wies auf die Flaschen.
„Ich hätte gern ein Bier, um auf Alister anzustoßen.“ Taya musste den Kloß hinunterschlucken, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. „Wo es doch eine Totenwache ist.“
„Also noch eine Runde für alle!“, ordnete Kyle an. Prompt reichte man ihm von allen Seiten her Becher. Überrascht sah Taya zu, wie auch Cristof mit gesenktem Blick an den Tisch trat und einen Krug Bier in Empfang nahm.
„Möchtet Ihr einen Trinkspruch anbringen?“, fragte ihn Isobel.
Cristof zögerte kurz, ehe er nickte. Einen Moment lang stand er reglos da, dann hob er den Becher.
„Auf meinen Bruder. Ich werde mein Bestes dafür tun, dass seine Arbeit nicht umsonst war.“
Dankbares Gemurmel begleitete das helle Klirren, mit dem Becher und Flaschen aneinanderstießen.
„Könnt Ihr das denn?“ Kyle musterte Cristof mit neuem Interesse. „Euer Bruder hat erzählt, Ihr hättet Eure Kaste verlassen.“
„Ich kann es versuchen.“
„Wir sitzen seit einem Jahr an diesem Programm, es wäre wunderbar, nicht die ganze Arbeit in den Wind schreiben zu müssen.“ Kyle wies mit dem Becher auf die eifrig klickende Maschine. „Das mechanische Herz war Alisters Obsession. Selbst wenn wir anderen längst nach Hause gegangen waren, konnte man ihn noch hier finden. Er hat ohne Unterlass geschuftet, einen Testlauf nach dem anderen durchlaufen lassen, neue Ansätze ausprobiert. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass er ein paar Monate lang praktisch in diesem Raum gelebt hat.“
„Er war der Beste von uns.“ Victors Stimme klang schwer. Er schenkte sich Wein nach, und ehe Taya widersprechen konnte, hatte er auch ihren Becher nachgefüllt, wobei er ein wenig Bier über ihre Hand verschüttete. „Nie wieder wird jemand so die Löcher in Lochkarten stempeln wie er.“
„Beim Programm für das mechanische Herz?“, hakte Taya nach.
„Bei jedem Programm. Die Herrin mag wissen, wie wir das schaffen sollen, wenn mal etwas von seinen Sachen modifiziert werden muss. Wahrscheinlich müssen wir uns alle dransetzen, um herauszufinden, wie er was gemacht hat. Das ganze Team!“
„Woran hat er sonst noch gearbeitet?“ Cristof hatte seinen Bierkrug in einem Zug geleert, von Taya aufmerksam beobachtet, die fest damit rechnete, dass er das Gesicht verziehen würde. Der Geschmack schien ihm aber nichts auszumachen. Er lebt wohl wirklich schon eine ganze Weile in Tertius.
„An vielen Dingen.“
„Dingen, die der kompletten Geheimhaltung unterliegen.“
„Ich habe sagen hören, er war der vierte Programmierer für das Labyrinth“, ließ sich Emelie hören.
„Ach was, der Labyrinthcode war doch lange vor seiner Zeit!“, sagte Lars.
„Nein, sie haben ihn hinzugezogen.“ Victor schien dasselbe gehört zu haben wie Emelie.
„Auf gar keinen Fall.“
„Wenn ich es dir doch sage: Er hat daran mitgearbeitet!“
Cristof schenkte
Weitere Kostenlose Bücher