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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erholsam geschlafen hatte, hatte er den Sonntagabend bei Bernard Sydell verbracht und sich endlose Beschwerden über den Mangel an Disziplin in der modernen Armee angehört, über die moralischen Defizite der jüngeren Offiziere, die Kleinlichkeit der Politiker, die erwarteten, dass Kriege ohne die entsprechende Ausrüstung ausgefochten wurden, und die Kurzsichtigkeit der derzeitigen Regierung, dazu Klagen über den Rücktritt Premier Pitts - der ebenso vernichtend kritisiert worden
war, als er sich noch im Amt befand - und weitere Bemerkungen ähnlichen Stils.
    Irgendwann im Lauf dieser Deklamationen hatte sich Malcolm Stubbs zur Seite gelehnt und Grey zugemurmelt: »Warum holt eigentlich niemand eine Pistole und erlöst ihn von seinem Elend?«
    »Ich zahle einen Shilling für die Ehre«, hatte Grey zurückgemurmelt, woraufhin sich Stubbs an den widerlichen Sherry verschluckt hatte, den Sydell an solchen Abenden für angemessen hielt.
    Harry Quarry war nicht da gewesen. Grey hoffte, dass Harry mit dem beschäftigt war, was er »in die Wege geleitet hatte«, anstatt sich einfach nur vor dem Sherry zu drücken - denn wenn nicht bald etwas Eindeutiges in Bezug auf O’Connells Tod herausgefunden wurde, war es wahrscheinlich, dass nicht nur Sydell auf die Sache aufmerksam wurde, sondern auch Leute, die die Macht besaßen, sehr viel mehr Ärger zu verursachen.
    »Was hältst du hiervon, John?« Olivias Stimme unterbrach seine Gedankengänge, und er wandte seine Aufmerksamkeit von seinem gekochten Ei ab, um zur anderen Seite des Tisches zu blicken. Mit nachdenklich gerunzelter Stirn musterte sie zwei schmale Spitzenstreifen - der eine war über die silberne Kaffeekanne drapiert, der andere hing über ihrer Hand.
    »Mm.« Grey schluckte sein Ei und versuchte, sich zu konzentrieren. »Wofür?«
    »Spitzenkanten für Taschentücher.«
    »Die da.« Er wies mit seinem Löffel auf das Muster auf der Kaffeekanne. »Die andere ist zu maskulin.« In Wirklichkeit erinnerte ihn das erste Muster lebhaft - wenn
auch nicht unangenehm - an die Spitzenkanten des Kleides, das Magda getragen hatte, die Herrin des Bordells an der Meacham Street.
    Olivia brach in ein strahlendes Lächeln aus.
    »Genau das habe ich auch gedacht! Exzellent; ich möchte ein Dutzend Taschentücher für Joseph nähen lassen - ich lasse dir auch ein halbes Dutzend machen, ja?«
    »Gibst du jetzt schon Josephs Geld aus?«, neckte er sie. »Der Arme geht noch Bankrott, bevor ihr auch nur einen Monat verheiratet seid.«
    »Ganz und gar nicht«, sagte sie leicht empört. »Es ist mein eigenes Geld, von Papa. Ein Geschenk der Braut an den Bräutigam. Meinst du, es gefällt ihm?«
    »Er wird bestimmt bezaubert sein.« Und Spitzentaschentücher passten so gut zu smaragdgrünem Samt, dachte er, von plötzlichen Gewissensbissen berührt. Überall um ihn herum schritten die Hochzeitsvorbereitungen voran, als würde eine Schlachtordnung mit Regimentern von Köchen, Bataillonen von Näherinnen und Dutzenden von Menschen aufgestellt, die zwar keine erkennbare Funktion erfüllten, aber täglich unter dem Anschein großer Wichtigkeit und Geschäftigkeit durch das Haus schwärmten. Fünf Wochen bis zur Hochzeit.
    »Du hast Ei am Kragen, Johnny.«
    »Ja?« Er sah an sich hinunter und schnippte sich den Krümel des Anstoßes aus den Rüschen. »So, ist es fort?«
    »Ja. Tante Bennie sagt, du hast einen neuen Kammerdiener«, sagte sie, während sie ihn weiter abschätzend betrachtete. »Dieser merkwürdige kleine Mensch. Ist er nicht etwas jung - und ungehobelt - für eine solche Stellung?«

    »Es mag Mr. Byrd ein wenig an Jahren und Erfahrung mangeln«, gab Grey zu, »aber er beherrscht die Kunst einer guten Rasur.«
    Seine Cousine sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an - wie seine Mutter war auch sie ein wenig kurzsichtig -, dann beugte sie sich über den Tisch, um ihm über die Wange zu streichen, eine Vertraulichkeit, die er sich gutwillig gefallen ließ.
    »Oh, das fühlt sich wirklich gut an«, sagte sie beifällig. »Wie Satin. Hält er deine Garderobe gut in Ordnung?«
    »Wunderbar«, versicherte er ihr und sah vor seinem inneren Auge Tom Byrd stirnrunzelnd beim Flicken des zerrissenen Rocksaumes. »Sehr dienstbeflissen.«
    »Oh, gut. Dann musst du ihm sagen, dass er dafür sorgen soll, dass dein grauer Samtrock in gutem Zustand ist. Ich hätte gern, dass du ihn zum Abendessen vor der Hochzeit trägst, und als du ihn das letzte Mal anhattest, ist mir aufgefallen, dass der

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