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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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aber zu viel Angst, mit ihr zu reden. Ich lasse Catcher mit ihr gehen, lasse Elias nach ihr sehen. Auch jetzt will ich als Erste den Pfad hinunter, aber sie ruft mich, und ich bleibe stehen. Meine Nerven sind angespannt.
    Sie sagt nichts weiter, und langsam drehe ich mich zu ihr um. Sie streckt mir die Hand hin, und ich helfe ihr auf. Catcher und Elias gehen voran. Als ich mich ihnen anschließen will, hält Cira mich zurück und hakt sich bei mir unter. Mir entgeht ihr schmerzverzerrtes Gesicht nicht, als sie mich mit dem verbundenen Unterarm streift.
    »Irgendwann musst du aufhören, mir aus dem Weg zu gehen«, sagt sie. Ich versuche zu lächeln, versuche über ihre Worte hinwegzugehen, aber sie zieht mich fester an ihre Seite. Wir folgen den anderen durch das Stöhnen, das durch den schwülen Nachmittag treibt.
    Mir will nichts einfallen, was ich sagen oder worüber wir reden könnten, nichts, das nichts mit Catcher und Immunität, Tod, dem Pfad oder ihren Armen zu tun hat. Aber je mehr ich nach einem sicheren Thema suche, desto lauter schreit alles in mir danach, sie zu fragen, warum, warum, warum.
    »Frag einfach«, sagt sie. Ich muss lachen, denn mir fällt wieder ein, dass wir schließlich beste Freundinnen sind. Sogar jetzt, wo alles um uns herum auseinanderfällt, können wir noch sein wie früher.
    Ich kneife die Augen zu, denke an das Blut an ihren Armen. »Warum?«, flüstere ich.
    Sie beobachtet unsere Füße beim Gehen, wie ein Schritt in den nächsten übergeht, und für einen Moment denke ich, dass sie nicht antworten wird. »Denkst du nie über die Mudo nach?«, fragt sie.
    Ich schüttele den Kopf … doch ich lüge. Bevor ich Elias getroffen habe, hatte ich nie über sie nachgedacht. Bevor ich von den Soulers wusste. Bevor Catcher infiziert wurde.
    Sie lacht ein wenig, nur ein kleiner Lufthauch an meinem Hals. »Ich auch nicht. Das waren immer nur diese Dinger hinter der Barriere, wegen denen ich nicht losziehen konnte zur Dunklen Stadt, wegen denen wir alle eingeschlossen und isoliert waren. Mir war eigentlich immer egal, wie sie so geworden waren. Wer sie einmal waren. Und dann kam jene Nacht an der Achterbahn mit Mellie und Catcher und den anderen, als dieses Mädchen auf sie losgegangen ist. Ich weiß nicht …«
    Ich höre sie tief Luft holen, so als müsse sie um Fassung ringen. »Ich war völlig fertig«, sagt sie. »Dieser Breaker kam auf uns zu gerannt, und ich wurde panisch. Wenn ich etwas hätte tun können … irgendwas, nicht nur dasitzen und schreien … vielleicht wäre das alles nicht passiert. Ich wollte nicht zu den Rekrutern gehen müssen und wieder vor den Mudo stehen. Ich wollte nicht wieder versagen.«
    Ich bleibe stehen und drehe sie zu mir um. »Du hast nicht versagt, Cira.« Ich bin schockiert, sie dasselbe sagen zu hören, was ich empfunden habe. »Wir hatten alle Angst. Ich habe immer noch Angst. Du kannst dir nicht die Schuld an dem geben, was passiert ist.«
    Sie legt mir eine Hand auf den Arm. »Du auch nicht«, flüstert sie. Ich hole scharf Luft, und sie lächelt. »Ich kenne dich, Gabry. Ich werde aufhören, mir Vorwürfe zu machen, wenn du aufhörst, dir welche zu machen.« Sie zieht eine Augenbraue hoch und schaut mich an. Das ist so typisch für Cira, dass ich lache und das Gefühl habe, es ist ganz leicht, wieder zurück in unsere Freundschaft zu gleiten.
    Wir fassen uns an den Händen und lassen die Arme schwingen. »Nun aber Schluss mit den traurigen Sachen, lass uns über die guten Dinge sprechen. Ich habe doch gesehen, wie Catcher dich beobachtet. Besonders wenn du mit Elias redest. Erzähl mir die ganze Geschichte.«
    Ich werde rot, es ist mir peinlich, dass Cira es bemerkt hat, aber mir wird auch ganz warm. Mir war nicht klar gewesen, dass Catcher mich noch immer so anschaut wie früher. Ich dachte, er hätte mich aufgegeben. Ich möchte alles vor ihr ausbreiten und sie bitten, mir dabei zu helfen, mich in diesem Durcheinander zurechtzufinden, aber ich bin noch nicht bereit, mit ihr darüber zu reden.
    »Das geht dich gar nichts an«, sage ich neckend, und sie lacht los. Das ist das Leben, denke ich. Und ich könnte beinahe vergessen, wo wir sind, als wir kichernd und Geschichten erzählend zusammen den Pfad entlanggehen.

29
    I n der Dämmerung erreichen wir die nächste Abzweigung. Über uns ziehen sich Gewitterwolken zusammen, der Himmel grollt. Dieses Mal stehen wir auf einer großen quadratischen Fläche, von der Pfade in alle Himmelsrichtungen

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