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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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mich an das Geräusch der Wellen, ich schließe die Augen und bilde mir ein, ich wäre wieder mit Elias am Strand.
    »Erzähl mir etwas von dir, was ich nicht weiß«, sage ich. Im Dunkeln ist es leichter, Worte zu finden und zu vergessen, dass er ein Fremder ist.

30
    E lias lächelt schwach, und die Hitze steigt mir noch heftiger ins Gesicht. »Was weißt du denn nicht?«, fragt er. Ich muss grinsen.
    »Alles«, sage ich. Meine Stimme ist belegter als sonst.
    Da lacht er. Ein kleines, leises Lachen hebt seine Schultern und kräuselt die Haut an seinen Augen. Es hallt in der Nacht wider, und mir wird klar, dass ich ihn bisher noch nicht lachen gehört habe. Mir wird auch klar, dass es mir gefällt, besonders, weil es mir so ein Gefühl von Wärme gibt.
    Er schaut neben sich, auf den leeren Platz auf der anderen Seite des Feuers. Ich zögere, denn die Abfuhr, die er mir vorhin erteilt hat, schmerzt immer noch, ich bin immer noch wütend auf ihn. Aber es ist anstrengend, so lange sauer sein, besonders, da nur wir beide wach sind. Also rutsche ich neben ihn. Jetzt sind wir so nah beieinander, dass das Licht sanft auf unsere Haut fällt, aber doch so weit voneinander entfernt, dass ich nicht jede seiner Gefühlsregungen erkennen kann.
    Er denkt einen Augenblick nach. »Weißt du, was ein Skinner ist?« Ich schüttele den Kopf. Er lehnt sich zurück, und seine Schulter streift mich. Mein erster Impuls ist, von ihm abzurücken, aber heute Nacht fühle ich mich wagemutig, deshalb bewege ich mich nicht. Die Haare auf seinem Arm wispern an meiner Haut.
    »So nennt man Leute, die in den Wald gehen und nach Sachen suchen«, erklärt er. »Manchmal suchen sie nach etwas Speziellem, vielleicht bietet jemand einen guten Preis für ein Maschinenersatzteil. Aber normalerweise geht es nur um irgendetwas, das man verkaufen oder eintauschen kann.«
    Ich hatte gewusst, dass Leute die Ruinen ausplündern, aber nicht, dass irgendwer tatsächlich die Suche im Wald riskierte. Allein bei dem Gedanken daran, was jemanden veranlassen könnte, die Zäune hinter sich zu lassen, bekomme ich Gänsehaut. Mir war nie klar gewesen, dass Menschen so verzweifelt sein konnten, und ich begreife immer mehr, wie wenig ich von der Welt außerhalb Vistas weiß.
    »Warum nennt man sie Skinner?«, frage ich.
    Er schaut in den Himmel, als müsse er seine Gedanken sammeln. »Nach der Rückkehr, als die Leute noch dachten, irgendwann würde alles wieder normal werden, haben einige Leute eine Zeit lang Ungeweihte gejagt, nur wegen der Wertsachen, die sie bei sich tragen könnten. Normalerweise waren das Dinge wie Schmuck und Geld. Was sie eben bei sich hatten, als sie starben. Aber dann, als die Vorräte zur Neige gingen, haben die Leute genommen, was immer sie kriegen konnten.« Er zuckt mit den Schultern. »Und häufig nahmen sie alles, Schuhe und Kleider eingeschlossen. Einfach alles, nur nicht die Haut.«
    Ich erschaudere. »Das ist furchtbar.«
    Wieder zuckt Elias mit den Schultern. »Das ist keine Arbeit, um die man sich reißt. Aber wenn man schlau und schnell ist, kann man damit überleben.«
    Er beugt sich vor und stützt die Ellenbogen auf die Knie. »Weißt du, meine Schwester …« Er zögert. »Wir sind schon früh verwaist. Wir hatten nichts, keiner hat sich so richtig um uns gekümmert.«
    Bei diesen Worten zieht sich meine Brust zusammen, der kleine Junge, der er einmal war, tut mir leid. Ich beuge mich vor und beobachte sein Gesicht von der Seite, während er weitererzählt.
    »Der Wald macht mir gar keine so große Angst. Ich kannte sichere Plätze dort. Ich wusste, wie man an Orte kam, an die kein anderer gehen konnte. Eine Weile war ich ein ziemlich guter Skinner. Es reichte zum Handeln, um Zutritt zur Dunklen Stadt zu bekommen, und wir hatten dort auch eine Unterkunft.«
    Das Feuer erfasst ein Stück trockenes Holz, die Flammen schlagen hoch und beleuchten sein Gesicht. Er reibt sich die Hände und schaut in die Flammen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er mit den Gedanken in der Vergangenheit ist, versunken in einen Augenblick, der mir nicht zugänglich ist. Ich wage kaum zu atmen, weil ich befürchte, ihn von dort zurückzuholen. Und ich will unbedingt mehr von seinen Erinnerungen hören.
    »Und dann war da dieser eine Winter«, fährt er fort. »Der schlimmer war als alle anderen. So kalt, dass die meisten Ungeweihten benommen dalagen, von Schneemassen bedeckt – der Wald der tausend Augen lag in reinem Weiß da.«
    »Die meisten

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