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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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früher.
    »Was passiert, wenn man keine Liebe hat?«, fragt er. »Was passiert, wenn man nicht kann?«
    Ein hohles Gefühl macht sich in mir breit. Er klingt so wie Cira, bevor sie sich die Schnittwunden beigebracht hat. Er klingt, als ob er aufgeben wollte. »Du hast mich«, sage ich. »Du hast mich und Cira.«
    Er tritt einen Schritt zurück, und ich halte ihn fest, so lange ich kann, bis wir uns nicht mehr berühren. Um uns herum sind leere Häuser und Hütten, Unkraut und das Zirpen der Grillen, der Abend legt sich über das Dorf.
    »Hättest du mich je lieben können?«, fragt er. Seine Stimme ist heiser.
    Mir stockt der Atem. »Ja«, flüstere ich und habe das Gefühl, etwas zu verlieren, indem ich dieses Wort ausspreche. Ich versuche mich an meine Träume von früher zu erinnern, doch das kann ich nicht mehr. Ich habe einmal so deutlich eine Zukunft für uns gesehen. Catcher war mein Leben, ich wollte nur ihm gehören. Ihn zu verlieren war gleichbedeutend damit, auch diese Zukunft zu verlieren. Wenn ich jetzt die Augen schließe und mir Catcher und mich vorzustellen versuche, sehe ich nichts.
    Die Frage, vor der ich am meisten Angst habe, stellt er nicht. Ob ich ihn jetzt liebe? Denn das weiß ich nicht mehr. Tränen trüben meinen Blick, ich beiße mir auf die Lippe, um sie zurückzuhalten.
    »Glaubst du, dass noch irgendetwas von ihnen übrig ist, wenn sie wiederkehren?«, fragt Catcher.
    »Ich weiß nicht.« Ich denke an die Soulers und ihre Mudo. Ob sie wohl glauben, dass noch etwas nachbleibt, dass sie noch etwas behalten? Ob es wirklich das ewige Leben ist, die ultimative Auferstehung? Ich habe die Mudo immer nur für Monster gehalten, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.
    »Ich glaube, ich habe Angst, auch so zu werden«, sagt er. »Ich glaube, davor graut mir am meisten. Dass ich irgendwie in der Falle sitzen werde.«
    Ich will mir Catcher nicht so vorstellen, ich will nicht daran denken, dass ich ihn vielleicht eines Tages töten muss. Ich nehme seine Hand wieder. »Das werde ich nicht zulassen.«
    Er streicht mir mit dem Daumen über die Finger. Die Stille ringsum hüllt uns ein.
    »Elias ist ein guter Mensch«, sagt Catcher schließlich. »Er sieht dich genauso an wie ich früher. Ich wünschte, ich könnte das jetzt noch.«
    Ich merke, wie ich rot werde. Ich will Catcher erzählen, dass Elias ein Lügner ist, dass er mir meine Vergangenheit die ganze Zeit vorenthalten hat.
    »Elias und du, das ist nicht dasselbe«, sage ich stattdessen. »Du kennst mich schon dein Leben lang. Wir haben uns immer gekannt. Wir beide sollten zusammen sein.« Warum kann Catcher das nicht verstehen. Warum geht er immer auf Abstand zu mir?
    Er streicht mit der Hand an meinem Kiefer entlang, zieht meinen Kopf an sich, und ich denke, dass er mich vielleicht jetzt küssen wird. Einmal wird es vielleicht wieder wie vorher. »Er wird gut auf dich aufpassen«, flüstert er stattdessen.
    »Du passt auf mich auf, Catcher«, sage ich ihm, er soll das verstehen, ich brauche das. Ich befürchte, wenn ich ihm nicht begreiflich machen kann, dass er die Zukunft ist, die ich immer erwartet habe, wird es sie nie geben. Und ich weiß nicht, was stattdessen geschehen wird.
    Er schüttelt den Kopf. »Ich kann auf niemanden mehr aufpassen«, erwidert er. »Cira fragt nach dir, weil sie sich verabschieden will. Sie stirbt, Gabry.« Damit dreht er sich um und geht den Weg hinunter, und ich bleibe allein in der erschütterten Abendluft stehen, versuche angestrengt, meinen Körper ans Atmen zu erinnern.

38
    I ch folge Catcher durch die eng beieinanderstehenden überwucherten Hütten bis zu Harrys Haus, das fernab von allem steht, weit weg von dem riesigen, verbrannten Chaos, das am anderen Ende des Dorfes aufragt. Harrys Haus ist groß und weitläufig, die Räume liegen um einen Hofplatz herum. Rund um das Haus gedeihen Gärten, elegant geführte Wasserläufe mit Wasserfällen winden sich durch Blumenbeete und an Reihen von ordentlich gepflanztem Gemüse vorbei. Der schwarze Hund liegt in der Tür zu einer Veranda, Nase und Ohren in der Sonne, ansonsten hat er sich in den Schatten verzogen. Er knurrt, als Catcher sich nähert, zieht die Lefzen zurück und bleckt die Zähne.
    »Er riecht die Ansteckung«, sagt Catcher. »Odys heißt er. Harry hat ihn darauf abgerichtet, ihn vor Mudo zu warnen.«
    Das Knurren des Hundes ist eine weitere Erinnerung daran, wie anders Catcher jetzt ist. Wie viel es ihm ausmacht, sehe ich ihm an.
    Cira

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