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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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andere Straße, die ebenfalls auf jeder Seite von einer hohen Mauer begrenzt wird. Die Brücke ist riesig, mindestens sechs Autos breit, sie neigt sich scharf nach links, auf der anderen Seite scheint nur noch ein schmaler Betonstreifen übrig zu sein. An ihren Seiten zieht sich ein Maschendrahtzaun entlang, der sich am oberen Ende nach innen wölbt, als sollten Leute vom Springen abgehalten werden. Jetzt allerdings dient dieser Zaum dazu, eine Horde Mudo auf der Brücke gefangen zu halten.
    Sie wittern mich und schlurfen in unsere Richtung. Ich bin mir der Wunde an meinem Arm nur allzu bewusst. Am Rand der Brücke liegt ein verbeulter, umgekippter gelber Bus. Andere Autos ringsherum sind ineinander verkeilt und bilden eine Barriere aus verbogenem Metall, die die Mudo noch daran hindert, von der Brücke zu entkommen und zu uns zu gelangen.
    Aber dahinter stauen sie sich wie Wasser vor einem Damm. Sie drängen und schieben und beginnen übereinander zu klettern und einen pulsierenden Haufen aus Körpern zu bilden. Bald werden sie über die Barriere quellen und die Straße überfluten. Dann sitzen wir in der Falle.
    »Du kannst umkehren«, sagt Catcher, als wir beide mit offenen Mündern auf die Hindernisse starren, die vor uns liegen. »Wir können versuchen, die Rekruter zu überwältigen. Oder ich liefere mich einfach aus. Sage ihnen, dass sie euch andere nicht mitnehmen müssen.« Seine Stimme klingt neutral, emotionsfrei – und ich schiebe meine Hand zu ihm und greife nach seinen Fingern.
    Sein Gesicht wirkt angespannt und erschöpft, er hat dunkle Ringe unter den Augen. »Ich weiß nicht, wie wir es schaffen sollen, Gabry«, flüstert er kaum wahrnehmbar.
    Hinter uns höre ich Rufe. Die Rekruter brechen durchs Unterholz. Lange wird es nicht dauern, bis sie uns eingeholt haben. Mudo befreien sich indessen aus kaputten Autos, schlurfen die Straße entlang und bahnen sich ihren Weg durch die verbeulten, zerdrückten Trümmer.
    Ich laufe auf der Mauer entlang Richtung Brücke. Links von mir fällt der Berg scharf ins Tal ab, rechts ist die Straße und dann das Nichts auf der anderen Seite. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, voranzukommen. Ich starre auf den Zaun an der Brücke. Auf der uns am nächsten liegenden Seite endet er auf halbem Weg, er ist abgerissen, wo die Brücke in die Tiefe gestürzt ist. Aber auf der gegenüberliegenden Straßenseite scheint er sich über das ganze Tal zu ziehen.
    »Gabry«, sagt Catcher, es klingt wie eine Warnung. Ich drehe mich um und sehe ihn auf der Mauer kauern. Seine Handknöchel sind weiß, weil er sich festklammert, sein Gesicht glänzt vom Schweiß.
    »Wir können es schaffen«, sage ich. Mein Herz rast, es fällt mir schwer, regelmäßig zu atmen.
    Er schüttelt den Kopf. »Zu viele Mudo.«
    »Da ist ein Vorsprung«, erwidere ich. »An der Seite der Brücke, wo der Zaun verankert ist. Ich kann darauf entlanglaufen.«
    »Gabry, auf der Brücke sind Mudo, die kannst du nicht abwehren.«
    Der Schweiß rinnt mir den Rücken hinunter, mein Hemd klebt an mir. »Doch, wenn ich auf die andere Seite vom Zaun klettere«, sage ich. »Wenn er zwischen uns liegt, hält er sie mir vom Leib.«
    Catcher rückt ein Stück näher, er klammert sich noch immer an die Mauer. Er schaut, wo ich hinzeige, und sein Gesicht wird bleich. »Dieser Vorsprung ist gerade mal eine Hand breit«, sagt er. »Da geht es dreißig Meter in die Tiefe!«
    »Ich halte mich am Zaun fest.«
    »Wenn du die Finger durch den Maschendraht steckst, werden die Mudo dich beißen.«
    Ich hocke mich vor ihn, sodass ich ihm ins Gesicht sehen kann. »Deshalb musst du auf der anderen Seite über die Brücke gehen und den Zaun schützen, wo ich mich festhalte. Du musst sie von mir fernhalten.« Ich versuche die Angst in meiner Stimme zu verbergen. Ich will zuversichtlich und überzeugend klingen, aber innerlich bin ich schreckensstarr.
    Er lässt den Kopf sinken. »Das geht nicht, Gabry. Ich kann nicht hinsehen, wenn du so etwas machst. Die Höhe.«
    Ich denke an das letzte Mal, als wir uns auf einer hohen Mauer gegenübergesessen haben. Welche Angst ich da hatte, und wie er alles getan hat, um mich zu beruhigen. »Ich weiß, dass du Angst hast«, sage ich. »Aber nur so können wir entkommen. Wir schaffen das.«
    Und ehe er es mir ausreden kann, atme ich tief durch und springe von der Mauer. Mit einem dumpfen Geräusch lande ich auf der Straße. Meine Energie vermischt sich mit der Angst, die in mir rast. Ich habe das

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