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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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wirken sie fast menschlich, menschlicher jedenfalls als noch vor wenigen Augenblicken. Und wieder frage ich mich, was wir verlieren, wenn wir sterben. Ob wir irgendetwas von dem behalten, was wir einmal waren, wenn wir zurückkehren?
    Der Vergnügungspark ist weitgehend so geblieben, wie er vor der Rückkehr war, für den Rest vom früheren Vista gilt das allerdings nicht. Über Generationen haben Plünderer es sauber ausgeräubert. Elias wandert zielstrebig durch die Ruinen, er kennt den Weg genau, und ich stolpere hinter ihm her in die Dunkelheit. Dabei weiche ich den Schatten aus, die der dicke Mond wirft.
    »Wieso kennst du dich hier so gut aus?« Keuchend versuche ich wieder zu Atem zu kommen.
    »Ich habe jemanden gesucht«, sagt er noch einmal.
    Er wirkt so souverän hier draußen, außerhalb des Schutzes von Stadt und Barriere, so selbstbewusst und so trittsicher. Ich beneide ihn darum. Bei jedem abbrechenden Stein zucke ich zusammen, weil ich fürchte, noch mehr Mudo könnten sich erheben.
    Ich laufe, bis ich zu ihm aufschließe, denn ich fühle mich sicherer, wenn ich die Hand ausstrecken und ihn anfassen kann. »Wen suchst du?«, bohre ich nach. Ich versuche in die Dunkelheit zu schauen, versuche mich an jede Kurve und Biegung auf unserem Weg durch die Straßen zu erinnern, doch ich habe mich schon verirrt, was mich nur noch unsicherer macht.
    Plötzlich bleibt er stehen, ich stolpere, finde dann jedoch Halt.
    Die Straße hier ist breit. Von beiden Seiten starren uns die leeren Fenster der Häuser an. Weit in der Ferne kann ich gerade noch den Mond über der Achterbahn stehen sehen, und dahinter schwenkt der Lichtstrahl des Leuchtturms durch die Nacht.
    »Dein Freund ist da drinnen«, sagt er und zeigt eine Straße hinunter auf ein hohes, schmales Gebäude. »Zweiter Stock, links.«
    Ich blinzele in die Dunkelheit. »Woher weißt du das?«
    Er zieht eine Schulter hoch. »So was merke ich mir. Halte dich rechts von der Achterbahn, wenn du wieder gehst, und danach immer geradeaus. Dann kommst du an den Strand und zu deinem Boot.«
    Ich mustere ihn genau, versuche herauszufinden, wer er ist und wo er herkommt. »Du gehst nicht mit mir?«, frage ich. Plötzlich ist mein Hals trocken, meine Handflächen sind schweißnass.
    Er schüttelt den Kopf. »Ist nicht meine Sache«, sagt er.
    Ich strecke ihm sein Messer hin, aber er schiebt es zurück. »Unbewaffnet zu sein, ist nicht schlau«, meint er.
    Ich versuche zu schlucken. »Sind da Mudo?«, frage ich.
    »Nicht, dass ich wüsste«, erwidert er. »Abgesehen von deinem Freund.«
    Mein Magen krampft sich zusammen, und ich packe den Ärmel seiner Kutte. »Aber du hast doch gesagt, er habe sich nicht gewandelt, er sei bloß angesteckt.«
    »Ich habe gesagt, er habe sich noch nicht gewandelt. Gefährlich ist er trotzdem.«
    Ich schaue in Richtung von Catchers Gebäude und reibe die Handflächen am Saum meines Hemdes. Ich beiße die Zähne zusammen. »Gut, dann passe ich einfach selbst auf mich auf«, antworte ich und weiß, wie dumm sich das nach seiner Rettungsaktion am Strand anhört.
    Er nickt nur. »Viel Glück, Gabry.« Dann dreht er sich um, geht in die Dunkelheit und lässt mich allein auf der leeren Straße stehen.
    »Warte«, rufe ich hinter ihm her. Noch bin ich nicht bereit, ihn weggehen zu sehen, noch bin ich nicht bereit, allein zu sein und Catcher gegenüberzutreten.
    Er bleibt stehen und dreht sich um, sodass ich sein Profil sehe. Seine Brust hebt sich nicht, als würde er die Luft anhalten, als würde er darauf warten, dass ich etwas Wichtiges sage. Er macht einen Schritt auf mich zu.
    »Danke«, sage ich schließlich. Er starrt mich einen Moment lang an, zuckt dann mit den Schultern und geht weg. Jedes Geräusch wird verstärkt: seine verhallenden Schritte, das Ächzen der Gebäude, aus denen die Hitze des Tages weicht. Heuschreckenzirpen, das an- und abschwillt. Im Mund habe ich einen bitteren Geschmack, mein Hals ist wund von meinen Schreien vorhin am Strand. Das Meersalz ist mittlerweile getrocknet und juckt auf meiner Haut, die Kleider scheuern unter den Armen.
    Ich will rennen, entweder hinter Elias her oder zu Catcher, doch ich weiß, dass Rennen meine Panik nur steigern wird – und dann mache ich nur etwas Dummes. Ich nehme mich zusammen, atme tief durch und gehe auf das Gebäude zu, in dem Catcher sich angeblich aufhält.
    Mit der Faust umklammere ich den Griff des Messers, die Schultern angespannt, die Füße bereit zum Sprint. Nichts lässt

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