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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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jetzt aussieht, ist nicht zu fassen, dass sie und das Mädchen vom Fluss ein und dieselbe Person sind – dass sie das Mädchen ist, das zu allem bereit war und es mit unserer Welt immer so tapfer und mutig aufgenommen hat.
    Ich halte die Spielzeugfigur fest, die sie mir geschenkt hat. Am meisten wünsche ich mir, dass sie mir verspricht, am Leben zu bleiben und zu kämpfen.
    Als sie mich endlich sieht, hellt sich ihr Blick auf. Sie kommt näher, schiebt ihre Hände zwischen den Gitterstäben hindurch, und ich umfasse sie. »Catcher?«, flüstert sie.
    Ich senke den Blick, wünschte, ich könnte dieses Gespräch irgendwie vermeiden. Noch mehr Schmerz will ich ihr nicht aufbürden. Keine Ahnung, wie ich ihr beibringen soll, dass ich sie alle beide im Stich gelassen habe.
    Ich schüttele den Kopf und sehe, wie in ihr alles zerbricht. Ich drücke ihre Handgelenke fest, doch es ist eine sinnlose Geste. Sie ist nicht mehr dieselbe. Ihre Augen sind trübe und glanzlos.
    »Cira«, zische ich ihr durch die Zähne zu. »Cira, sieh mich an!« Verzweifelt suche ich nach einem Weg, ihr zu helfen, ihr irgendetwas zu geben, woran sie sich festhalten kann.
    Sie schafft es kaum, den Blick auf mich zu richten. Es ist, als wäre sie unter Wasser, als würde sie von den Mudo in die Tiefe gezogen, aber sie wehrt sich nicht einmal.
    »Du darfst nicht aufgeben«, sage ich. Ich denke zurück an alles, was wir zusammen durchgemacht haben, an all die Zeiten, in denen sie die Starke gewesen ist und der Mensch, der ich sein wollte. Ich weiß nicht, wie das in ihr wiederzuerwecken ist, und deshalb fühle ich mich nutzlos.
    Als sie schließlich redet, bewegt sie die Lippen kaum, als sei es die Anstrengung nicht wert. »Warum nicht?«, fragt sie. »Was soll das denn noch?«
    Ich will protestieren, doch ich bemerke einen kleinen Funken in ihren Augen, der ihre alte Glut entfachen könnte.
    »Nein, wirklich, Gabry. Sag mir, was das soll. Sag mir, warum wir uns hier ans Leben klammern sollen. Warum? Wo ist denn der Unterschied zwischen dir, mir und den Mudo? Sag es mir.«
    »Die Rekruter sind kein Todesurteil«, antworte ich und gebe damit die Worte wider, die Elias vor ein paar Tagen zu mir gesagt hat.
    »Er hat dich wirklich gemocht, weißt du?«, sagt sie, und einen Moment lang bin ich verwirrt. Elias geht mir noch im Kopf herum, und Hitze steigt mir den Nacken hoch. »Er hat die ganze Zeit von dir geredet. Seit damals, als wir dir zum ersten Mal beim Leuchtturm begegnet sind.« Sie hält inne. »Wir wären Schwestern geworden.«
    Der Schmerz zerreißt mir die Brust, Gedanken an Catcher und was hätte werden können zucken durch meinen Kopf.
    »Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen«, sage ich. »Wenn ich doch zu dieser Nacht zurückgehen und uns daran hindern könnte, über die Barriere zu klettern.«
    Sie zieht eine Schulter hoch und lässt sie wieder sinken. »Das habe ich auch gedacht«, erwidert sie. »Als sie uns erwischt haben, habe ich das gedacht. Aber jetzt? Ich weiß nicht.« Sie schaut zu den anderen, die sich ans Gitter drücken, zu den Familien, die auseinandergerissen werden. »Manchmal glaube ich, es ist einfach unvermeidlich.«
    Sofort habe ich tausend Einwände auf den Lippen, aber sie drückt ihren Finger darauf, ehe ich irgendetwas sagen kann. »Tut mir leid«, flüstere ich.
    Sie lächelt. »Weißt du, ich stelle mir gern vor, wie du da draußen auf dem Leuchtturm stehst. Wo auch immer sie uns hinschicken, werde ich ihn sehen können. Am Horizont wird dieses Licht aufblitzen, und dann denke ich an dich und Catcher; vielleicht lohnt es sich ja dann, in diesem blöden Krieg zu kämpfen.«
    Meine Wangen laufen rot an. »Es ist nicht gerecht, dass ich hier draußen bin«, sage ich. Mein Herz hämmert bei diesen Worten, aber ich weiß, ich muss es aussprechen. »Ich sollte bei dir da drinnen sein, ich sollte mit dir gehen …«
    Sie fällt mir ins Wort. »Jemand muss zurückbleiben«, erwidert sie.
    Ich ziehe die Superhelden-Figur vom Hals und halte sie ihr hin. »Bitte, gib nicht auf«, wiederhole ich.
    Sie schaut die Figur an, wie sie an meinem Finger baumelt. »So etwas wie Helden gibt es nicht«, antwortet sie und schiebt die Kette wieder zu mir zurück. »Nicht mehr.«
    Eine bekannte Wut steigt in mir auf. »Warum bist du an diesem Abend nicht mit mir zurückgegangen? Ich habe dich gerufen. Wir hätten beide wegrennen können. Dann wärst du jetzt in Sicherheit.«
    Sie schaut mich an. »Ich bin nicht du,

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