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Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
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den Schoß sinken.
    »Schon gut. Ich habe nichts dagegen.« Mutig nahm ich seine Hand und legte sie mit der Handfläche nach unten zwischen meine. Sie war breit, kräftig und ein wenig schwielig, mit langen schmalen Fingern und gepflegten Nägeln. Auf dem Handrücken wuchsen ein paar flaumige goldene Haare, die ich sanft mit der Fingerspitze verzwirbelte. »Du musst mir irgendwann auf dem Klavier vorspielen«, sagte ich.
    »Das werde ich«, versprach er.
    »Wo wurdest du denn verletzt?« Ich räusperte mich und schob sacht den Frackärmel zurück, so dass sein Handgelenk frei lag. Er trug schlichte goldene Manschettenknöpfe. »Darf ich?«, fragte ich und betastete einen davon. Er nickte. Vorsichtig zog ich den Manschettenknopf aus dem Knopfloch und legte ihn auf den Couchtisch. »Ich will dir nicht weh tun«, meinte ich und betrachtete sein Gesicht.
    »Das wirst du nicht«, murmelte er. »Es ist längst verheilt.«
    Ich streifte den Ärmel fast bis zum Ellbogen zurück und schnappte nach Luft. Eine lange gezackte Narbe mit einer tiefen Furche in der Mitte verlief den gesamten Unterarm entlang. »O mein Gott«, hauchte ich. »Wie ist das passiert?«
    »Eine Glasscherbe«, erklärte er. »Von der Windschutzscheibe.«
    »Aber sie ist so … schartig!« Ich fuhr mit dem Finger die breite Furche entlang. Sie wurde auf beiden Seiten von den weißen Pünktchen der Naht gesäumt. Tränen traten mir in die Augen.
    »Nicht«, sagte er zärtlich und umfasste mit der anderen Hand meinen Hinterkopf. Seine Stirn berührte beinahe meine. »Es ist schon so lange her.«
    Ich blickte auf. »Bitte tu so was nie wieder.«
    »Ziemlich unwahrscheinlich.«
    »Ich ertrage es kaum, es mir vorzustellen. Allein … die Schmerzen …«
    »Nun«, gab er zu, »es hat geblutet wie wild.«
    Seine linke Hand ruhte noch immer auf meinem Hinterkopf und spielte mit meinem Haar. Ich legte die andere auf meine Wange. Er liebkoste sie, fuhr den Kiefer entlang und krümmte den Finger zart um mein Ohr, bevor er ihn meinen Hals hinuntergleiten ließ.
    »Wie schrecklich lange wollte ich genau das tun«, flüsterte er mit belegter Stimme.
    In mir herrschte totaler Aufruhr. Er hatte mich völlig in der Hand. Ich berührte sein Gesicht. Er runzelte die Stirn, als wäre ihm gerade ein unangenehmer Gedanke gekommen. Ich strich die Furchen mit den Fingern glatt. »Das ist unfair«, flüsterte ich. »Du bist so schön.«
    »Nun«, erwiderte er und wirkte auf einmal seltsam traurig, »alles gehört dir, was es auch wert sein mag.« Er wendete den Kopf, um meine Handfläche zu küssen. Dann umfassten seine Hände mein Gesicht. Sein Daumen streifte meine Lippen und öffnete sie ein Stück. Seine Miene war fragend.
    Ich presste die Lippen zusammen und machte mich los.
    »Was ist?«, wollte er wissen.
    »Mein Atem riecht nach Kaffee«, stieß ich hervor.
    Mit einem schicksalsergebenen Auflachen senkte er den Kopf. »Kate, habe ich nicht auch gerade den gleichen Kaffee getrunken?«
    »Schon, aber bei dir macht das nichts«, entgegnete ich abweisend. »Du bist Julian Laurence, für den andere Gesetze gelten als für gewöhnliche Sterbliche. Dein Atem riecht sicher süß und verführerisch, ganz gleich, wie viel Kaffee du intus hast, während ich schmecken werde wie das Innere eines Starbucks-Bechers. Eines alten Starbucks-Bechers.«
    »Komm her«, sagte er und nahm mich, von Gelächter geschüttelt, in seine Arme. »Das genau liebe ich an dir, Kate. Du bist unvergleichlich. Vom ersten Moment an …« Er legte den Arm fester um mich. »Genau so will ich dich. Ich möchte dich nie wieder loslassen.« Er lehnte sich zurück und zog mich mit sich, bis ich bequem auf seiner breiten Brust ruhte. Das Satinrevers seines Fracks kühlte meine Wange.
    »Himmlisch«, flüsterte ich, als ich spürte, wie seine Finger meine Wirbelsäule hinauf- und hinunterglitten. Eine Weile lagen wir ganz still da. Ich hatte das regelmäßige Schlagen seines Herzens im Ohr.
    Die Gegensprechanlage summte. Ich sprang erschrocken auf.
    »Wer ist das?«, fragte Julian.
    »Keine Ahnung«, antwortete ich und sah auf die Uhr – halb zwölf. »Das heißt, es ist Joey vom Empfang. Aber Brooke hat einen Schlüssel. Vielleicht will er uns ja warnen.« Ich ging zur Gegensprechanlage und drückte auf den Knopf. »Hallo?«
    »Kate, ich bin es, Joey. Sie haben Besuch.« Seine Stimme zitterte von unterdrücktem Lachen.
    »Wer ist es?«
    »Ich habe sie schon nach oben geschickt. Wollte Ihnen nur Bescheid

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