Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
Vom Netzwerk:
glaubst.«
    »Oh.« Wieder blickte sie zwischen uns hin und her. »Nun denn. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mr. Laurence. Ich bin froh, dass jemand auf mein kleines Mädchen aufpasst.«
    Als er, zweifellos, um eine atemberaubend schlagfertige Bemerkung von sich zu geben, den Mund aufmachte, kam ich ihm zuvor. »Ich begleite dich zum Aufzug, Julian.«
    »Jawohl, Ma’am«, erwiderte er gehorsam und zwinkerte meiner Mutter zu.
    Sie zwinkerte zurück!
    Ich nahm Julian am Arm und schleppte ihn zur Tür. »Und wehe, wenn du spannst«, sagte ich über die Schulter, als ich ihn aus der Wohnung schob.
    Der Aufzug befand sich gleich um die Ecke. Ich drückte auf den Knopf und drehte mich dann mit verschränkten Armen zu Julian um.
    Lächelnd zog er mich an sich. »Willst du wirklich, dass ich gehe?«, murmelte er.
    »In diesem Moment, ja«, entgegnete ich streng und drängte die wirbelnden Dunstschwaden zurück, die mir das Hirn zu vernebeln drohten, sobald er mich berührte.
    Ein leises Kichern. »Wann sehe ich dich wieder?«
    »Ruf meine Sekretärin an. Die macht meine Termine.«
    »Dann überrasche ich dich.«
    Das Klappern des Aufzugs näherte sich. Ich nahm die Arme auseinander und schlang sie ihm um die Taille. »Ich kann es kaum erwarten«, flüsterte ich.
    Die Glocke ertönte. Ich wich zurück, blickte auf und stellte fest, dass er mich musterte. Dann beugte er sich vor und berührte mit den Lippen sanft meinen Mund. »Ich auch nicht«, sagte er und trat in den Aufzug, als sich die Türen gerade schlossen.

    »Also gut, Mom.« Ich knallte die Tür hinter mir zu. »Das war jetzt wahrscheinlich der allerpeinlichste Moment meines gesamten Lebens. Vergiss den Tag, als ich mir in der ersten Klasse in die Hose gemacht habe. O mein Gott, warum musstest du so etwas sagen?«
    »Was meinst du?«
    »Das weißt du ganz genau. Lassen Sie sich von mir nicht vertreiben, Julian, falls Sie bleiben wollten«, säuselte ich im Falsett. »Wir hatten noch nicht einmal eine richtige Verabredung oder uns wenigstens …«
    Sie blickte auf. »Was, Schatz?«
    »Geküsst«, murmelte ich.
    »Hat er dir denn gerade keinen Gutenachtkuss gegeben?«
    Ich sah sie finster an. »Ich habe dir doch verboten zu spannen.«
    »Ach, Schatz«, sie lachte auf, »um das zu wissen, brauche ich nicht zu spannen.«
    »Aber es war kein richtiger Kuss«, verteidigte ich mich. »Also grins nicht so selbstzufrieden. Herrje, du bist meine Mutter. Es gehört sich nicht, dass du Sex duldest. Nicht unter einem Dach.«
    »Nun, in meinem Haus würde ich es auch nicht gestatten. Wenn du ihn zu Besuch mitbringst, bekommt er sein eigenes Zimmer. Doch das hier ist deine Wohnung, Schatz. Du kannst tun und lassen, was du willst.«
    »Und du hättest nichts dagegen?«, hakte ich nach.
    »Wahrscheinlich würde ich mir ein Kissen über den Kopf legen«, räumte sie ein. »Er sieht unverschämt gut aus.«
    »Ja, Mom, ich weiß.«
    »Und er schien ziemlich begeistert von dir zu sein.«
    »Nun«, brummelte ich und fiel aufs Sofa, »das hoffe ich wenigstens.« Ich schaute zu ihr hinüber. »Er ist ein außergewöhnlicher Mensch, Mom.«
    »Jedenfalls macht er diesen Eindruck, Schatz.« Sie hielt inne. »Er ist doch der Mann aus dem Park, oder?«
    »Äh … ja.«
    Sie setzte sich neben mich. »Wie hast du ihn kennengelernt?«
    »Bei einer geschäftlichen Besprechung.«
    »Wahrscheinlich funktioniert das heutzutage so.« Sie rückte ihre Uhr zurecht. »Und ist er wirklich so, wie Mary Alice erzählt hat?«
    »Mehr oder weniger.« Ich starrte auf den schmucklosen weißen Umschlag, der auf dem Tisch lag.
    »Und wie geht es dir damit?«
    »Wie soll es mir damit schon gehen?«, sagte ich patzig. »Schließlich bin ich im Lauf der letzten Jahre vielen reichen Männern begegnet. Was ist groß dabei?«
    Sie schwieg. Meine Mutter ist eine geduldige Frau.
    Nach einer Weile gab ich mich geschlagen. »Gut. Tut mir leid. Ich wusste, was du meinst. Ja, okay, es ist seltsam. Allerdings ist er anders als die meisten. Er protzt nicht damit. Geld ist für ihn einfach eine Tatsache, kein … wie soll ich es ausdrücken … wichtiger Teil seines Lebens. Eine ziemlich erfrischende Einstellung.«
    »Er besitzt doch einen dieser Hedgefonds, richtig?« Sie klang fast, als wüsste sie, was ein Hedgefonds war.
    »Ja, einen großen. Doch vor sechs Jahren war er noch nichts wert. Er hat ihn ganz allein nach oben gebracht.«
    »Aber er stammt aus reichem Haus.«
    »Ich bin nicht sicher«, entgegnete ich.

Weitere Kostenlose Bücher