Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
verhielt.
»Du hast mich in dein Gästezimmer gelegt?«, empörte ich mich.
Verwirrt setzte Julian sich auf. Seine Miene wirkte im Dämmerschein des Nachtlichts schlaftrunken. »Kate?«, murmelte er.
»Ins Gästezimmer?«
»Wie spät ist es?«
»Zwei Uhr morgens.«
»Herrgott, Kate.« Er ließ sich zurück in die Kissen fallen. »Was hätte ich denn sonst tun sollen? Dich mit zu mir ins Bett nehmen?«
»Ja.«
»Nun, du hast geschlafen«, sagte er gähnend. »Deshalb konnte ich dich nicht fragen. Ich dachte, ich hätte mich wie ein Gentleman verhalten.«
»Tu mir das nächste Mal einen Gefallen«, sagte ich, die Hände in die Hüften gestemmt. »Sei kein Gentleman. Kannst du dir vorstellen, wie ich gerade erschrocken bin?«
»Ich habe dir einen Zettel hingelegt.«
»Ich habe eine Weile gebraucht, um ihn zu finden. Obwohl ich zugeben muss, dass es ein sehr netter Zettel war«, fügte ich reumütig hinzu.
»Also gut«, brummte er, »dann komm ins Bett. Aber hör bitte auf zu reden.«
»Ein echter Morgenmensch.«
»Kate«, stieg seine Stimme gedämpft aus den Tiefen des Kissens auf, »ich habe dich auf dem verdammten Sofa in der Bibliothek zwei Stunden lang im Arm gehalten, bis ich Krämpfe hatte. Als ich versucht habe, dich zu wecken, habe ich für meine Bemühungen nur einen eindeutig nicht damenhaften Wortschwall geerntet. Deshalb habe ich es schließlich aufgegeben, dich ins Gästezimmer gebracht und bin ins Bett gegangen. Das war eigentlich gut gemeint.«
»Mein Rock ist total zerknittert. Jetzt muss er in die Reinigung.«
Er hob den Arm von der Decke und zeigte auf eine Tür in der Ecke. »Der Korb steht im Bad.«
Ich hielt inne. »Kann ich mir ein T-Shirt von dir leihen?« Seltsamerweise hatte ich beim Packen nicht an einen Pyjama gedacht.
Der Zeigefinger bewegte sich. »Oberste Schublade rechts.«
Ich ging zur Kommode, holte ein weiches weißes T-Shirt heraus und flüchtete mich dann so würdevoll wie möglich ins Bad, wo ich mich umzog und nach kurzer Überlegung meine Zähne mit Finger und Zahnpasta bearbeitete. Sein T-Shirt roch ein wenig wie er selbst, ein sauberer Seifenduft, den ich bereits liebte.
Dann holte ich tief Luft und schlüpfte aus dem Bad. Der große Raum sah im gedämpften Schein des Nachtlichts bescheiden aus. Der schlichte Kamin an der einen Wand wurde von zwei gut bestückten Bücherregalen flankiert. Die wenigen schmucklosen dunklen Möbelstücke erfüllten rein praktische Zwecke. Das Doppelbett hatte vier geschnitzte Pfosten und war mit sauberen weißen Bezügen versehen und unbeschreiblich einladend.
»Komm ins Bett, Kate«, murmelte Julian schlaftrunken.
Ich kroch hinein und spürte, wie sich seine Arme um mich schlossen. »Da bist du ja«, flüsterte er, die Lippen an meine Wange geschmiegt. Eine Weile lag ich noch wach und lauschte, während sein Atem wieder ruhig und gleichmäßig wurde. Sein Arm lag schwer auf meiner Taille, und ich fragte mich, ob mir wirklich gleich das Herz zerspringen würde.
12
A ls ich aufwachte, strömte die Maisonne durchs Fenster herein. Im ersten Moment wähnte ich mich in meinem Zimmer in Wisconsin, dessen Fenster nach Osten zeigte, so dass ich jeden Morgen von der Sonne geweckt wurde. Im nächsten Moment sah ich die weißen Laken, die dunklen antiken Möbel und das leere Kopfkissen neben mir.
Ich setzte mich auf. »Julian!«, rief ich.
Keine Antwort.
Also hielt ich Ausschau nach dem Brief. Julian hatte mir sicher einen geschrieben, bevor er nach New York gefahren war. »Süße Träume, mein Liebling« hatte die kurze Nachricht, gehalten in einer schmalen Handschrift und mit schwarzer Tinte geschrieben, gelautet, die letzte Nacht im Gästezimmer auf dem dicken Daunenkissen gelegen hatte. Nach einer Nacht in seinen Armen, so tugendhaft sie auch verlaufen sein mochte, war doch sicher ein längeres Schreiben fällig.
Während ich vergeblich das ganze Bett absuchte, wurde ich zu meinem Ärger von Panik ergriffen, bis ich endlich auf den Gedanken kam, auf dem Nachtkästchen nachzusehen. Da lag er, ein gefalteter eierschalenfarbener Briefbogen. Als ich danach griff und mich wieder zurücklehnte, fiel mir ein Bund Autoschlüssel auf den Schoß. Der Range Rover.
Mein liebstes Mädchen, Dein schreckliches Schnarchen hat mich heute Morgen geweckt, weshalb ich die Gelegenheit genutzt habe, zeitig in Richtung Manhattan aufzubrechen. Fühle Dich hier wie zu Hause. Eile so schnell wie möglich wieder an Deine Seite.
XX
Das würde er mir
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