Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Eigeninteressen.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz.«
Ich spürte, wie er aufseufzte. »Kate, eine Reihe von Personen hat völlig im Sinne des Gesetzes von meinem scheinbaren Tod profitiert. Der gegenwärtige Lord Chesterton, Gott schütze ihn. Verschiedene Politiker aus komplizierteren Gründen.« Er hielt inne. »Einige würden sogar anführen, weil sie es nicht besser wissen, dass Flora Hamiltons Kinder nie geboren worden wären, wenn ich den Krieg überlebt hätte. Was Unsinn ist.«
»Ihre Kinder?«
»Sie hat kurz nach dem Krieg geheiratet. Drei Kinder. Ein Sohn ist Politiker geworden. Vermutlich sagt dir der Name etwas. Hatte etwas vom schwarzen Schaf. Und seine Söhne haben die Familientradition fortgesetzt.«
»Und all diese Leute würden sich gar nicht freuen, wenn sie herausfinden, dass du heute noch am Leben bist?«
»Obwohl es vermutlich niemand glauben wird. Kein Mensch würde ernsthaft davon ausgehen, dass ich der echte Julian Ashford, geboren 1895, bin. Allerdings haben wir keine Gewissheit. Viele Leute reagieren irrational, wenn sie ein Gerücht aufschnappen. Das ist es, wovor ich Angst habe. Dass jemand dich meinetwegen bedrohen könnte.«
»Warum um alles in der Welt sollte derjenige das wollen?«
»Um sicherzugehen, dass ich meine wahre Identität nicht preisgebe.«
»Aber das würdest du doch ohnehin niemals tun.«
»Woher soll unser großer Unbekannter das wissen?«
Ich überlegte. »Meinst du, dieser Mensch hat mir das Buch geschickt?«
»Möglich«, antwortete Julian ruhig. »Und das würde ich nur zu gerne in Erfahrung bringen. Hast du die Verpackung noch?«
Ich nickte, den Kopf noch immer an seine Brust gelehnt. »Es kam aus einem Buchladen auf Rhode Island. Den Namen habe ich vergessen. Die Schachtel ist oben in meiner Tasche.«
»Dann rufen wir dort an.« Er hielt inne, und seine Stimme wurde leiser. »Oder wir fahren hin. Wir könnten mit meinem Boot rübersegeln. In Newport gibt es ein gemütliches Hotel. Der Besitzer ist ein Klient von uns.«
»Hm.« Ich nestelte an seinem Hemd herum. »Aber was ist mit den neuen Informationen heute? Dem Anruf?«
»Vor zwei Tagen habe ich mich mit Hollander getroffen. Sein Büro war durchwühlt worden. Auf dem Schreibtisch lag ein Exemplar der Post, aufgeschlagen bei dem Artikel auf Seite sechs.«
»O mein Gott!« Die Mitteilung brachte meinen Verstand ins Trudeln. Als ich zur Terrassentür blickte, erwartete ich beinahe, eine an die Scheibe gepresste Fratze zu sehen.
»Ja. Verstehst du jetzt, warum ich wollte, dass du hierbleibst? Es ist nicht so weit hergeholt, wie du denkst. Offenbar meint der Mann es ernst. Er weiß etwas oder glaubt etwas zu wissen.«
»Aber was ist mit den Sicherheitsvorkehrungen? Wie ist der Typ überhaupt ins Gebäude gekommen? Gibt es dort keine Kameras?«
Julian zuckte mit den Schultern. »Hollander hatte natürlich die Tür nicht abgeschlossen, als er losging, um eine Vorlesung zu halten. Der Anruf gerade eben«, er wies mit dem Kopf auf das Telefon, »war von einem seiner Kollegen. Offenbar ist der alte Knabe verschwunden.«
»Verschwunden?«
»Nun, nicht ganz. Er hat besagtem Kollegen eine E-Mail geschickt, er müsse überraschend eine Forschungsreise antreten, was bei ihm nicht unüblich ist. Allerdings hat er ihm meinen Namen und meine Telefonnummer hinterlassen, und das ist seltsam. Deshalb wollte dieser Kollege zu Recht wissen, was hier gespielt wird. Und mich würde es, offen gestanden, auch interessieren.«
»Heißt das etwa … Ich meine, sind wir in Gefahr?« Ich brachte das Wort kaum über die Lippen.
Er hob den anderen Arm und drückte mich an sich. »Natürlich nicht. Außer Geoff weiß niemand von diesem Haus. Ich habe mir die größte Mühe gegeben, es geheim zu halten. Im Grundbuch steht eine unserer obskuren Holdings. Das Grundstück und das Haus selbst sind mit Alarmanlagen ausgestattet. Also bist du hier absolut in Sicherheit. Das schwöre ich dir. Ich werde nicht zulassen, dass dich jemand anrührt.«
»Hollander hat die Nummer. Die Vorwahl …«
»Es ist eine Geheimnummer. Selbst wenn sie diesem unangenehmen Zeitgenossen in die Hände fällt, wird er seine Mühe haben, auf diesem Weg die Adresse herauszufinden. Schau, Hollander hat sich schon oft aus dem Staub gemacht, ohne jemandem Bescheid zu geben. Mach dir keine Sorgen. Nach der Besprechung mit meinem Anwalt rufe ich ihn auf seinem Mobiltelefon an. Apropos.« Stirnrunzelnd hob er den Arm, um auf die Uhr zu schauen. »Wo
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